Zusammenfassung
Die Beschäftigung mit den Verhaltensweisen der Menschen zueinander bleibt niemandem erspart, der unter den Menschen lebt. Jeder Einzelne verfügt über eine Summe formulierter und unformulierter Erfahrungen, die er an den Menschen seiner Umwelt durch sein gelebtes Leben gewonnen hat — schmerzlicher und vielleicht auch erhebender Erfahrungen; und unbemerkte Rückschlüsse aus ihnen dienen ihm dazu, sich unter den Menschen, die ihm begegnen, weiterhin zurechtzufinden. Daß der Mensch mit dem Menschen leben muß, befähigt ihn dazu, daß er es kann. Diese Fähigkeit wird ständig beansprucht und geübt: der Mitmensch ist dem Menschen ein Gegenstand tiefsten Interesses und immer erneut zugewandter wacher Aufmerksamkeit. Hinter der vitalen Notwendigkeit der eigenen Selbsterhaltung, des Selbstschutzes und der Selbstbehauptung, durch welche dies Interesse am Sein, Sosein und Ver-schiedensein der Mitmenschen wacherhalten wird, fließt noch eine tiefere Unterströmung. Im anderen sich selber wiederzufinden, an ihm und durch ihn zu sich selber zu kommen, ihn zu „verstehen“ und in diesem Verstehen sich selbst zu verstehen, von ihm verstanden zu werden und dadurch über den scheinbar blinden und sinnleeren Zufall des eigenen Seins hinausgehoben zu werden zur erlebten Sinnerfüllung der eigenen Person und ihres Daseins — dies unausrottbare, tiefste Bedürfnis persönlichen Selbsterlebens liegt, eingestanden oder uneingestanden, hinter allen äußeren Zwangsläufigkeiten, die den Menschen für seine Mitmenschen interessieren.
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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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Kronfeld, A. (1932). Einführung in die Probleme der Charakterkunde. In: Lehrbuch der Charakterkunde. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99283-4_1
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