Zusammenfassung
Neben den im vorstehenden besprochenen sexuellen Mißbräuchen können auch primäre Erkrankungen und gewisse Abnormitäten der Sexualorgane bei Männern die Veranlassung zum Auftreten nervöser (neurasthenischer) Störungen bilden. Die Rolle, welche den in Frage stehenden Genitalaffektionen in der Ätiologie der Neurasthenie zufällt, weicht jedoch erheblich von der der sexuellen Mißbräuche ab. Die schädigende Wirksamkeit letzterer tritt zwar besonders rasch und intensiv bei neuropathisch Veranlagten hervor, doch ist dieselbe keineswegs an das Vorhandensein einer Prädisposition gebunden; dagegen führen primäre Genitalaffektionen allem Anscheine nach lediglich bei Belasteten und Individuen mit erworbener neuropathischer Disposition zu neurasthenischen Störungen. Hierfür spricht schon der Umstand, daß die betreffenden Genitalaffektionen bei der großen Mehrzahl der damit Behafteten nervöse Beschwerden nicht nach sich ziehen1). Ferner kommt in Betracht, daß unter den Ursachen der (sexuellen) Neurasthenie den sexuellen Mißbräuchen gegenüber die primären Genitalleiden ganz gewaltig zurückstehen und überhaupt nur von untergeordneter Bedeutung sind; so fand z. B. v. Krafft-Ebing unter 114 Fällen von Neurasthenia sexualis bei Männern 106 mal sexuelle Mißbräuche, dagegen nur 8 mal Lokalaffektionen (Urethritis posterior).
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Literatur
v. Notthafft (Münch. med. Woehenschr. 1905, Nr. 4) erwähnt, daß Prostatorrhöe und Prostataneurasthenie ganz im Gegensatze zu der vorherrschenden Ansicht nur seltene Begleiterscheinungen der chronischen Prostatitis bilden. Die Prostatorrhöe kann bei ganz leichten wie bei ganz schweren subjektiven Symptomen gefunden werden. Die Intensität der subjektiven Symptome steht in keinem Verhältnisse zu den objektiven Untersuchungsergebnissen. Nach dem Autor sind die Schmerzen bei chronischer Prostatitis vielfach an Orten lokalisiert, die einen Zusammenhang mit dem Leiden nicht erwarten lassen (Ischias, Kniegelenkschmerzen usw.). Aus der Beseitigung der betreffenden Beschwerden durch Behandlung der Prostata glaubt der Autor diesen Zusammenhang folgern zu dürfen.
M. Marcuse: Über Atonie der Prostata. Med. Klinik 1912. Nr. 45.
R. M. Simon berichtete über 3 Fälle von Reflexneurosen, die anscheinend durch ein adhärentes Präputium verursacht waren und durch die operative Beseitigung der Anomalie zur Heilung gelangten. Die reflektorischen Störungen waren in den einzelnen Fällen sehr verschiedener Natur: Plötzlich einsetzende Schmerzen in der Hüftgegend und Hochziehen des betreffenden Beines, schwere Intestinalkoliken, nächtliches Aufschrecken mit Klagen über Leibschmerzen.
Siehe Mar cuse: Die Gefahren der sexuellen Abstinenz, S. 7 und „Über Atonie der Prostata“, Sep.-Abdruck S. 5 u. f.
Löwenfeld: Pathologie und Therapie der Neurasthenie und Hysterie. S. 115.
Naecke: „Über die Pollutio interrupta“. Münch. med. Wochenschr. 1909, Nr. 34. „Einiges über Pollutionen“. Neur. Zentralbl. 1909, Nr. 20. Ebenda auch 1910, Nr. 22.
Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, S. 43 erwähnt das Vorkommen pollutionsartiger Vorgänge bei Mädchen vor den Pubertätsjahren und fügt bei, daß dieses Vorkommnis oft (nicht regelmäßig) eine Periode früherer aktiver Onanie zur Voraussetzung zu haben scheine.
Das Oupnek’hat, die aus den Veden zusammengesetzte Lehre von dem Brahm. Aus der sanskrit-persischen Übersetzung des Fürsten Mohammed Daraschekoh in das Lateinische übertragen von Duperron, deutsch von F. Michel. Dresden 1882. S. 365.
Naecke, Monatsschrift für Kriminalpsychologie usw. November 1895.
Siehe Löwenfeld: Über die sexuelle Konstitution und andere Sexualprobleme 1911. S. 130.
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Löwenfeld, L. (1922). Erkrankungen der Sexualorgane bei Männern als Ursache von Nervenleiden. In: Sexualleben und Nervenleiden. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99251-3_15
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