Einleitung

Zusammenfassung

Wir leben in Zeiten tiefgreifender Umwälzungen und planmäßigen Umsturzes: fast im Handumdrehen sind Kaiser-, Königs- und Fürstenthrone beseitigt, große Staaten zertrümmert oder zerstückelt und neue aufgerichtet worden, wie bei einem Erdbeben stürzt alles, was bisher fest erschien, durcheinander, eine Umwertung aller Werte ist in einem Maße eingetreten, daß man nicht mehr weiß, was überhaupt noch Wert hat. Seit den jammervollen Tagen des November herrscht in Deutschland ein fieberhafter Streik- und Reformwahn, der sich in erster Linie gegen alles das richtet, was bisher als „bevorrechtigt“ galt. Kein Wunder, daß nun auch mit möglichster Beschleunigung die Universitäten reformiert und die bis dahin Bevorrechteten möglichst entrechtet werden sollen. Derartige Bestrebungen waren auch in hohem Maße bei der bürgerlichen Revolution von 1848 vorhanden, wie man in äußerst lehrreicher und anziehender Weise dem jetzt erschienenen letzten Band der Geschichte der Universität Berlin von Max Lenz¹) entnehmen kann. Von besonderem Reiz ist es dabei zu ersehen, daß zu den Stürmern und Drängern für eine Universitätsreform der junge Rudolf Virchow gehörte, der späterhin einer der zähesten Anhänger und konservativsten Verfechter der alten Universitätsverfassung wurde, wie es ja eine alte Erfahrung ist, daß sich liberale und demokratische politische Auffassung mit Despotismus und Diktatur in Berufsangelegenheiten gut vereinigen lassen.