Zusammenfassung
Dieses Buch geht von der metaphysischen Anschauung aus, es sei uns ein Stück der wirklichen Außenwelt und Wertwelt zugänglich und erfaßbar. Es sieht in der Organisationsbedingtheit der Wahrnehmung keinen Gegenbeweis gegen diese Anschauung. Denn eben diese Organisation ist ja wieder ein Stück der Außenwelt. Im Triebleben sieht es eine Fortsetzung der Organisation. Man hat nun stets auf die Täuschungen über die Außenwelt hingewiesen, welchen der Gesunde ebenso wie der Geisteskranke unterworfen ist, und daraus wiederum einen Beweis gegen die Verläßlichkeit unserer Auffassung der Welt geschmiedet. Hier wird nun gezeigt, daß sich Trugwahrnehmung und Truggedanke (Wahn) auf Abänderungen des Trieblebens zurückführen lassen. Ein biologisch abgeänderter Organismus führt eine andere Umwelt mit sich. Aber diese veränderte Welt geht einher mit einem oberflächlicheren Erleben, mit einer geringeren Betätigungsmöglichkeit für die Gesamtpersönlichkeit, mit einer geringeren Vereinheitlichung der Akte, mit einem verwischteren Persönlichkeitserlebnis; die Persönlichkeit entfaltet sich nur an einer reich gegliederten, strukturierten Außenwelt und die Tiefe der Gliederung der zugänglichen Außenstruktur ist ein unmittelbarer Maßstab für den Reichtum des Erlebens. Dieser wird als Wertmaßstab und als Gradmesser des Erkennens genommen, gleichgültig, ob er sich im Erkennen, im Fühlen oder im Handeln zeigt. Es wird nun nachgewiesen, daß die Begriffsbildung beim Schizophrenen und Paraphrenen Strukturen vernichtet; es wird gezeigt, daß Differenzierungen aufgehoben werden, daß die Begriffswelt eine einförmigere wird, daß die Begriffswelt dieser Kranken an Fülle, Farbigkeit, Buntheit, Mannigfaltigkeit, Gliederung Einbuße erfährt. Für das Wesen des Begriffes folgt daraus, daß er als Spiegelbild körperlicher Organisation in die biologische Welt hineingehört, dem Triebleben zugeordnet ist, in ähnlicher Weise wie der starre Bau der Wahrnehmungsorgane. Körper und Welt, Subjekt und Objekt gewinnen ihre Abgrenzung aus den Einstellungen des Trieblebens. Die Abgrenzungen des Gesunden gewährleisten wiederum eine größere Reihe von Handlungsmöglichkeiten, eine größere Differenzierung im Tun und eine größere Fülle im Erleben. Jener Zustand, in dem Körper und Außenwelt in eins zu verfließen scheinen, hebt Handlung und Differenzierung auf. Aber jeder Akt der Neudifferenzierung geht zurück auf eine solche Phase der Einschmelzungen der Differenzierungen.
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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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Schilder, P. (1923). Schlusswort. In: Seele und Leben. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 35. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99073-1_7
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