Zusammenfassung
Lieber Freund! Als wir uns gestern abend nach langer Trennung wiedersahen, mußte ich während unseres Gesprächs beständig an die Zeit von 1915 zurückdenken, die uns zuerst in gemeinsamem eifrigen Studium der Relativitätstheorie zusammenführte, in gemeinsamer Begeisterung und gemeinsamen Zukunftsträumen. Damals glaubten wir ja fast, das Weltgesetz schon in Händen zu haben, das alle Erscheinungen restlos erklärte! Seither habe auch ich wohl Kritik gelernt und bin „weiser“ geworden. Aber das hat mich doch fast schmerzlich betroffen, daß du dich sogar von der Grundidee losgesagt zu haben scheinst, die ich nach wie vor als den Kernpunkt der neuen Lehre ansehen muß. Laß uns heute ausführlich darüber sprechen, warum du nicht mehr glaubst, daß (M) die Trägheit eines Körpers durch das Zusammenwirken aller Massen des Universums zustande kommt. O Saulus! Saulus! wie kannst du dich so gegen die offen zutage liegende Wahrheit verstocken! — Nimm etwa das Foucaultsche Pendel. Newtons Meinung war: die Ebene, in welcher das Pendel schwingt, bleibt erhalten im absoluten Raum; die Fixsterne stehen auch fast still im absoluten Raum. Deshalb geht die Pendelebene mit den Fixsternen mit und rotiert relativ zur Erde.
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Literatur
Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d. Wissensch. 1917, S. 142.
Wir kehren damit in gewissem Sinne zurück zu der Aristotelischen Unterscheidung der natürlichen und gewaltsamen Bewegung. Von Neueren hat Andrade in seinen Leçons de mécanique physique (Paris 1898) die klassische Mechanik in dieser Weise umgedeutet. Er unterscheidet den natürlichen Lauf der Dinge (Trägheitsbewegung einschließlich der Gravitation, konstant bleibender Maßstab usw.), wofür keine mechanischen Kräfte angesetzt werden und der rein deskriptiv behandelt wird, von dem Zwang, den die Körper aufeinander ausüben. Die genaue theoretische Erfassung des Führungsfeldes und die Gesetze seiner Wechselwirkung mit der Materie sucht man freilich bei ihm noch vergebens.
Physikal. Zeitschr. Bd. 19, S. 33. 1918; Bd. 22, S. 29. 1921.
Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d. Wissensch. 1917, S. 142.
Diese wurden namentlich von Seeliger diskutiert: Astronomische Nachrichten Bd. 137, Nr. 3273. 1895; Münchner Berichte Bd. 26. 1896. Einen Ausweg in ganz anderer Richtung suchte schon Lambert und nach ihm Fournier d’albe (Two new Worlds, London 1907) und C. V. L. Charlier (1908). Vgl. das Referat von Bernheimer: Naturwissenschaften Bd. 10, S. 481. 1922.
Monthly Notices of the R. Astronom. Soc. London, Nov. 1917. Dazu: Weyl: Raum, Zeit, Materie, 5. Aufl. (Berlin 1923), S. 322, und Physikal. Zeitschr. Bd. 24 (1923), S. 230.
Ich verweise auf die Tabelle bei Eddington: Mathematical Theory of Relativity (Cambridge 1923), S. 162. — Neuerdings ist freilich die Ansicht, daß die Spiralnebel der Milchstraße gleichgeordnete Systeme sind, durch Shapley und durch die Beobachtungen van Maanens über die Bewegung der Nebelknoten in den Spiralnebeln stark erschüttert worden. Man lese darüber die fortlaufenden „Astronomischen Mitteilungen“ in den letzten Jahrgängen der Naturwissenschaften nach. Über eine andere von Lindemann aufgestellte Hypothese zur Erklärung der Rotverschiebung in den Spektren der Spiralnebel vgl. Naturwissenschaften Bd. 11 (1923), S. 961.
Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d. Wissensch. 1914, S. 1067.
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Weyl, H. (1924). Massenträgheit und Kosmos. In: Was ist Materie?. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-98951-3_2
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