Zusammenfassung
Die in diesem Kapitel unternommene Untersuchung entstand ursprünglich unabhängig von dem Buch über Masochismus und galt vielmehr den Problemen des Denkens aus dem Konflikt in seiner Philosophie, den ungelösten Wertkonflikten innerhalb seiner Philosophie und der Rolle von Ressentiment und Scham in seiner Psychologie. Auch jetzt noch stehen diese Themen im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen. Und dennoch entpuppte sich im Laufe der Niederschrift eine tiefe Verwandtschaft mit hauptsächlichen Themen dieses Buches; ganz besonders war es seine sich allmählich durchsetzende Wertpriorität, die in erstaunlich relevanter Weise mit der Abwehrstrategie der vierten Masochismusgruppe übereinstimmte. Deshalb entschloß ich mich, diese Gedankengänge jetzt einzufügen und ihnen ein Kapitel folgen zu lassen, das Thomas Manns Auseinandersetzung mit dieser Wertpriorität darlegt.
„Was teilt der tragische Künstler von sich mit? Ist es nicht gerade der Zustand ohne Furcht vor dem Furchtbaren und Fragwürdigen, das er zeigt? — Dieser Zustand selbst ist eine hohe Wünschbarkeit; wer ihn kennt, ehrt ihn mit den höchsten Ehren. Er teilt ihn mit, er muß ihn mitteilen, vorausgesetzt daß er ein Künstler ist, ein Genie der Mitteilung. Die Tapferkeit und Freiheit des Gefühls vor einem mächtigen Feinde, vor einem erhabnen Ungemach, vor einem Problem, das Grauen erweckt — dieser siegreiche Zustand ist es, den der tragische Künstler auswählt, den er verherrlicht. Vor der Tragödie feiert das Kriegerische in unsrer Seele seine Saturnalien; wer Leid gewohnt ist, wer Leid aufsucht, der heroische Mensch preist mit der Tragödie sein Dasein, — ihm allein kredenzt der Tragiker den Trunk dieser süßesten Grausamkeit. —“ (Nietzsche, Götzendämmerung, „Streifzüge eines Unzeitgemäßen“, 24, S. 147)
Genealogie, I, 14, S. 274.
Englische Fassung geschrieben für die Diskussionsgruppe „Psychoanalysis and Creativity“, Jos. Lichtenberg, Bethesda, 7. April und 30. Juni, 1990.
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Wurmser, L. (1993). „Mann der gefährlichsten Neugierde“ — Nietzsche’s „fruchtbares und furchtbares Doppelgesicht“ und sein Krieg gegen die Scham. In: Das Rätsel des Masochismus. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-97372-7_13
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