Zusammenfassung
Weiterhin gab es jedoch, parallel zur Spaltung in Veras Liebesleben, einen Riß in ihrem Selbstbild: Zumeist fühlte sie sich abgelöst, fast gefühllos, emotionell wie betäubt — in einem ldaren Zustand der Depersonalisierung. Dabei funktionierte sie aber beruflich ausgezeichnet und tatkräftig. Ihre Urteilskraft und Kompetenz, ihre Ruhe in schwersten Notfällen erregten berechtigte Bewunderung und verhalfen ihr zu Positionen immer größerer klinischer Verantwortlichkeit. Demgegenüber, wenn sie ihrem Geliebten Rudolf nachjagte oder mit ihm zusammen war — was nach wie vor, obzwar etwas seltener und weit vorsichtiger, zu geschehen pflegte —, wandelte sich ihr vermindertes Wirklichkeitsempfinden zu dem einer schmerzhaften oder ekstatischen Intensität. Ebenso übersteigert war es aber auch in Panikanfällen, während derer sie weiterhin halluzinierte, daß ein Mann in einem Schrank auf sie lauere, bereit, sie zu erstechen. Oft schienen denn auch ihre Angstträume wirklicher als das Wachsein: Die Dunkelheit lastete wie ein Eindringling auf ihr, oder ein Mann lag auf ihr und versuchte sie zu erdrosseln oder jagte ihr mit einem Messer nach. Bis vor kurzem war sie daher unfähig, nachts ohne Licht zu schlafen.
„... mais l’envie resta cachée dans le fond du coeur, comme un germe de peste qui peut éclore et ravager une ville, si l’on ouvre le fatal ballot de laine ou il est comprimé.“
(... aber der Neid blieb im Grunde ihres Herzens verborgen, wie ein Pestbazillus, der ausbrechen und eine Stadt verheeren kann, wenn man das gefährliche Wolllmäuel, in dem es zusammengepreßt ist, öffnet.)
(Balzac, La Cousine Bette, S.82)
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Wurmser, L. (1987). „Einsam in die Wüste tragen“ Masochistische Impulshandlung und die Quellen des Ressentiments. In: Flucht vor dem Gewissen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-97016-0_4
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