Skip to main content

Zusammenfassung

Die Computerisierung und Automatisierung in der chemischen Meßtechnik [1] erlaubt es, rasch viele Daten von einer Probe zu ermitteln. Dadurch ist es möglich geworden, immer kompliziertere und komplexere Systeme zu untersuchen, wobei aber immer mehr Daten anfallen. Handhabung, Bewertung und Interpretation großer Datenmengen sind ohne automatische Datenverarbeitung kaum möglich. Daher wurden mathematische und statistische Methoden im letzten Jahrzehnt auch in der Chemie vermehrt angewendet. Da die Rechenkapazität heute kaum mehr ein limitierender Faktor ist, wurden zahlreiche alte numerische Methoden wieder entdeckt und auf chemische Fragestellungen angewendet, sowie neue Methoden entwickelt. Dieses Arbeitsgebiet ist derart gewachsen, daß es sinnvoll erschien, dafür einen eigenen Namen einzuführen. Im Juni 1974 wurde die „Chemometrics Society“ von B. R. KOWALSKI (Seattle, USA) und S. WOLD (Umeä, Schweden) gegründet; mit dem Ziel, ein internationales Forum für einen Gedankenaustausch zu schaffen [2].

Chemometrie wurde definiert als

  • eine chemische Disziplin,

  • die mathematische und statistische Methoden (und Methoden der Informatik) anwendet,

  • mit dem Zweck, optimale experimentelle, chemische Methoden zu entwik- keln oder auszuwählen, und

  • mit dem Zweck, ein Maximum an relevanter, chemischer Information aus chemischen (Meß)-Daten zu erhalten.

Diese Definition ist sehr umfassend und es bleibt jedem überlassen, die Grenze etwa zwischen einfachen rechnerischen Methoden und „chemometrischen“ Methoden zu ziehen. Viele mathematische und statistische Methoden werden in der Chemie in gleicher Weise angewendet, wie in anderen naturwissenschaftlichen Bereichen; trotzdem scheint der Begriff „Chemo-Metrie“ berechtigt zu sein, da meist eine spezifische Adaptierung der Methoden an chemische Probleme erforderlich ist. Chemometrie soll in einem weiteren Sinne ein Bindeglied sein zwischen experimenteller Chemie auf der einen Seite und Mathematik, Statistik, Computerwissenschaft auf der anderen Seite. Ein solches „Interface“ ist sicher recht nützlich, da computergestützte Methoden in der Chemie immer mehr an Bedeutung gewinnen, und die rasante Entwicklung auf dem Computersektor für die meisten Chemiker unüberschaubar geworden ist. Computeranwendungen in der Chemie sollten in erster Linie von Chemikern (Chemometrikern) betreut werden, die das eigentliche Ziel — die Lösung chemischer Probleme — im Auge behalten können.

Es gibt derzeit kein umfassendes Lehrbuch über Chemometrie. Eine Reihe wichtiger chemometrischer Methoden werden in Büchern [3, 4] behandelt; eine Sammlung nützlicher Computerprogramme findet sich in [5]. Aktuelle Übersichten erscheinen im Zwei-Jahresabstand in der Zeitschrift „Analytical Chemistry“ [6, 7].

Das derzeit wichtigste Einsatzgebiet chemometrischer Methoden ist die Behandlung multivariater, chemischer Daten („Objekte“, z.B. chemische Substanzen, Proben oder Methoden, sind nicht durch jeweils nur einen einzigen Wert charakterisiert, sondern jeweils durch einen Satz von Werten). Zur Analyse solcher Daten werden Methoden der Clusteranalyse [4], automatischen Mustererkennung [8] und Faktorenanalyse [9] eingesetzt. Manchmal wird der Begriff Chemometrie auf diese Arbeitsrichtung eingeschränkt, was sachlich aber nicht gerechtfertigt ist. Als weitere wichtige chemometrische Methoden sind die Optimierung chemischer Verfahren [4] und die Qualitätskontrolle analytischer Methoden [3], sowie die Anwendung mathematischer Methoden für die Probenahme [3] und Versuchsplanung [10] zu erwähnen. Der automatische Spektrenvergleich (des Spektrums einer unbekannten Substanz mit einer Spektrenbibliothek) ist eine typisch chemometrische Methode, da unter starker Berücksichtigung chemischer Gesichtspunkte, nichttriviale Methoden der Informatik anzuwenden sind. Aber auch bei der Meßwerterfassung und besonders bei der numerischen Bearbeitung der Meßwerte, werden teilweise recht aufwendige chemometrische Methoden angewendet um etwa Probleme bei der Daten-transformation, Auflösungsverbesserung, Kalibrierung und mathematischen Modellbildung chemischer Systeme lösen zu können. Die Informationstheorie [4,11] ist sehr nützlich bei der Erstellung von Qualitätskriterien für analytische Methoden und bei der automatischen Spektreninterpretation. Gerade bei Arbeiten auf dem Gebiet der computerunterstützten Spektren-Interpretation wird eine Vielzahl chemometrischer Methoden eingesetzt, die von mathematischstatistisch orientierten Verfahren (Mustererkennung, Informationstheorie) bis zur Programmierung der Arbeitsweise des Chemikers („artificial intelligence“) reichen.

Auch dieser Beitrag über Chemometrie umfaßt bei weitem nicht das ganze Gebiet. Es werden hier nur Methoden der Mustererkennung und der Optimierung besprochen. Das Schwergewicht liegt dabei auf Methoden, die ohne viel Mathematik plausibel gemacht werden können. Eine Reihe anderer chemometrischer Methoden — im weiteren Sinne — sind in anderen Teilen dieses Buches enthalten.

Während die Nützlichkeit von Computern zur Daten-Akquisition und Daten-Manipulation auch in der Chemie voll anerkannt ist, stehen viele Chemiker einer Daten-Interpretation mittels Computerhilfe noch sehr ablehnend gegenüber. Computerunterstützte Daten-Interpretation sollte in der Chemie als eine Vor-Interpretation aufgefaßt werden und der Wert solcher Methoden sollte nicht nur an der Leistungsfähigkeit spezialisierter Chemiker gemessen werden, sondern im Hinblick auf die automatisierte Lösung von Routineaufgaben. Es ist nicht einzusehen, warum Computerprogramme geschrieben werden können, die ganz passabel Schach spielen, aber keine Programme, die etwa gängige chemische Substanzen aus den Spektren identifizieren können oder Partialstrukturen erkennen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 54.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Ziegler, E., in: Ulimanns Encyklopädie d. techn. Chem., 4. Aufl., Bd. 5, S. 51, Verlag Chemie, Weinheim 1980

    Google Scholar 

  2. Kowalski, B. R.: J. Chem. Inf. Comp. Sei. 75, 201 (1975)

    Article  Google Scholar 

  3. Kateman, G., Pijpers, F. W.: Quality Control in Analytical Chemistry, Wiley, New York 1981

    Google Scholar 

  4. Massart, D. L., Dijkstra, A., Kaufman, L.: Evaluation and Optimization of Laboratory Methods and Analytical Procedures, Elsevier, Amsterdam 1978

    Google Scholar 

  5. Johnson, K. J.: Numerical Methods in Chemistry, Marcel Dekker, New York 1980

    Google Scholar 

  6. Kowalski, B. R., Anal. Chem., 52, 112 R (1980)

    Article  Google Scholar 

  7. Frank, I. E., Kowalski, B. R.: Anal. Chem. 54, 232 R (1982)

    Article  Google Scholar 

  8. Varmuza, K.: Pattem Recognition in Chemistry, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1980

    Book  Google Scholar 

  9. Malinowski, E. R., Howery, D. G.: Factor Analysis in Chemistry, Wiley, New York 1980

    Google Scholar 

  10. Retzlaff, G., Rust, G., Waibel, J.: Statistische Versuchsplanung, Verlag Chemie, Weinheim 1975

    Google Scholar 

  11. Eckschlager, K., Stepanek, V.: Information Theory as Applied to Chemical Analysis, Wiley, New York 1979

    Google Scholar 

  12. Niemann, H.: Methoden der Mustererkennung, Akad. Verlagsges., Frankfurt/M. 1974

    Google Scholar 

  13. Steinhagen, H. E., Fuchs, S.: Objekterkennung - Einführung in die mathematischen Methoden der Zeichenerkennung, VFB Veriag Technik, Beriin (DDR) 1976

    Google Scholar 

  14. Erickson, G. A., Geriach, R. W., Jochum, C. J., Kowalski, B. R.: Cereal Foods Worid 26, 383 (1981)

    Google Scholar 

  15. Varmuza, K.: Anal. chim. acta 122, 221 (1980)

    Article  Google Scholar 

  16. Jurs, P. C., Isenhour, T. L.: Chemical Applications of Pattern Recognition, Wiley, New York 1975

    Google Scholar 

  17. Rotter, H., Varmuza, K.: Anal. chim. acta 103, 61 (1978)

    Article  CAS  Google Scholar 

  18. Wold, S., Sjöström, M., in: Kowalski, B. R. (Hrsg.), Chemometrics, Theory and Application, S. 243, Amer. Chem. Soc., Washington D.C. 1977

    Chapter  Google Scholar 

  19. Stuper, A. J., Brügger, W. E., Jurs, P. C.: Computer Assisted Studies of Chemical Structure and Biological Function, Wiley, New York 1979

    Google Scholar 

  20. Dunn, W. J., Wold, S.: Bioorg. Chem. 9, 505 (1980)

    Article  CAS  Google Scholar 

  21. Steinhausen, D., Langer, K: Clusteranalyse, de Gruyter, Berlin 1977

    Google Scholar 

  22. Massart-Leen, A. M., Massart, D. L.: Biochem. J., 196, 611 (1981)

    CAS  Google Scholar 

  23. Duewer, D. L., Koskinen, J. R., Kowalski, B. R.: Arthur (Pattern Recognition Program), erhältlich von Kowalski, B. R.: Lab. for Chemometrics, Dept. of Chemistry, BG-10, University of Washington, Seattle, USA 1975

    Google Scholar 

  24. Deming, S. N., Parker, L. R., Jr.: CRC Crit. Rev. Anal. Chem. 7, 187 (1978)

    Article  CAS  Google Scholar 

  25. Shavers, C. L., Parsons, M. L., Deming, S. N.: J. Chem. Educ. 56, 307 (1979)

    Article  CAS  Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1984 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

About this chapter

Cite this chapter

Varmuza, K. (1984). Chemometrie. In: Ziegler, E. (eds) Computer in der Chemie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-96803-7_6

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-96803-7_6

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-642-96804-4

  • Online ISBN: 978-3-642-96803-7

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics