Zusammenfassung
Das Recht der römischen Spätzeit beruhte im wesentlichen auf der klassischen Rechtsliteratur und auf der Kaisergesetzgebung. Beides waren Quellen, die durch ihre gewaltige Fülle und durch die technischen Schwierigkeiten des Zugangs auch für eine geistig kräftigere Rechtspraxis schwer zu handhaben gewesen wären. Das ausgedehnte Schrifttum der klassischen Jurisprudenz vermochte niemand mehr in seinem ganzen Umfange zu überblicken, und selbst die Kommentare der spätklassischen Juristen, die einen einigermaßen erschöpfenden Überblick über das gesamte Privatrecht vermittelten, werden dem Richter oder den Anwälten, von den höchsten Gerichten des Reiches abgesehen, nur selten vollständig zur Verfügung gestanden haben. Die zahllosen Kaisergesetze entbehrten einer übersichtlichen Publikation und waren in ihrer Gesamtheit nur in den kaiserlichen Archiven zugänglich, im übrigen nur, soweit sie im privaten Schrifttum verarbeitet waren. Für eine Zeit, die sich derart von der Autorität des Kaisers und der Klassiker abhängig fühlte und ein so geringes Vermögen zur Stoffbeherrschung besaß wie die nachklassische Periode, mußten sich aus alledem die schwersten Mißstände ergeben. Ob sich für die Entscheidung eines Prozesses brauchbare Gesichtspunkte fanden, hing mehr oder minder von Zufällen ab. Die Echtheit und Zuverlässigkeit der dem Richter vorgelegten Juristenzitate und Kaiserkonstitutionen ließ sich vielfach nur schwer oder überhaupt nicht mehr nachprüfen. Wenn sich die Parteien auf einander widersprechende Autoritäten beriefen, so war der unselbständige Geist des nachklassischen Richters in Verlegenheit, wem er folgen sollte. Das Bestreben, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden, tritt in dem Schrifttum der nachklassischen Zeit deutlich hervor. Die elementaren Abrisse des gesamten Rechts, die Sammlungen von Exzerpten aus der Rechtsliteratur und den Kaisergesetzen, wie sie für uns durch die fragmenta Vaticana repräsentiert werden, und die Zusammenstellungen von Konstitutionen in den codices Gregorianas und Hermogenianus stehen alle mehr oder weniger unter diesem Zeichen. Es konnte nicht ausbleiben, daß sich auch der Gesetzgeber mit dem gleichen Problem beschäftigte.
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Literatur
Ausgaben: Iacobus Gothofredus (mit einem heute noch unentbehrlichen Kommentar, 1665);
Moinesen: Theodosiani libri X VI, vol. I, 1905;
Krüger, P.: Cod.Theod. (I 1, 2 1923, 1926), diese beiden heute grundlegend für die Textgestaltung. — Lit.: Mo sEN: Jur. Sehr. II 371ff.; 24: die codices
Diehl: Justinien et la civilisation byzantine 1901;
Jöxs: D. Reichspolitik Kaiser Justinians (Vortrag, 1893 ).
Dl Marzo: Le quinquaginta decisiones (Palermo 1899–1900);
Jörs: R E 4, 2275ff.; KRÜGER, P.: Aus röm. u. bürgerl. Recht (Festg.f. Bekker 1907) 3ff.; RoroNDI: Scr. giur. I 227ff. Der Text gibt die Resultate Roroxnls wieder.
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© 1949 Springer-Verlag / Berlin · Göttingen · Heidelberg
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Wenger, L., Kunkel, W. (1949). Die Kodifikationen der Spätzeit. In: Römisches Recht. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, vol 2/3. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-96428-2_3
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