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Geschichtliche Grundlegung

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Römisches Recht

Part of the book series: Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft ((ENZYKLOPRECHT,volume 2/3))

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Zusammenfassung

Den Ausgangspunkt der Erbrechtsentwicklung wird, wie anderwärts, so auch in Rom, die „gesetzliche“ Erbfolge der Hausgenossen (sui heredes) gebildet haben: Mit dem Tode des pater familias zerfiel der Familienverband in soviele neue Gewaltsverhältnisse, als Stämme der Deszendenz vorhanden waren, und die Herrschaft über Personen und Sachen verteilte sich auf die Häupter der neuentstandenen Teilfamilien; zugleich gingen auch gewisse mit der Familiengewalt verbundene Lasten und Rechte auf die neuen Gewalthaber über : die Pflichten des Hauskults (sacra), die Treuverhältnisse zu den Freigelassenen, Klienten (§ 41, 1 u. 7) und Gast­freunden (34, 1)3 und vermutlich auch die Schulden, für die der Erblasser als Fa­milienhaupt eingestanden hatte (§ 220). Somit war die Erbfolge der sui heredes von Hause aus nichts anderes als das Erstarken des schon bei Lebzeiten des alten pater familias latent vorhandenen Mitrechts der nächsten Nachkommen zur vollen Haus­gewalt über ihre eigenen Frauen und Abkömmlinge und über ihren Anteil am Haus­vermögen4. Spuren dieser alten Gewaltnachfolge haben sich im Erbrecht der sui heredes noch bis in die helle geschichtliche Zeit hinein erhalten (vgl. § 211). Im übrigen aber hat sich der Begriff der Erbfolge frühzeitig verengert. Statt der Vorstellung der Familienaufspaltung und der Gewaltnachfolge trat der Übergang des vom Erblasser hinterlassenen Vermögens auf die Erben in den Vordergrund. Dementsprechend lösten sich auch die mit der Familiengewalt verbundenen Lasten und Rechte mehr oder weniger von der Erbfolge und gingen ihre eigenen Wege: Die sacra wurden erst von den pontifices wieder mit der Erbschaft ver­knüpft, damit der Familienkult in jedem Falle, auch beim Aussterben des Hauses, erhalten bliebe (Cic. de leg. 2, 48ff.); die Treuverhältnisse blieben auf den Kreis der Familienangehörigen beschränkt und gingen nicht als Bestandteil der Erbschaft auf die „Aussenerben“ (extranei, s. u. Ziff. 2) über. Nur die Schuldenhaftung blieb mit der Erbfolge dauernd verbunden: Die unbeschränkte Verantwortlichkeit des Erben für die vom Erblasser hinterlassenen Verbindlichkeiten ist ein charakteristischer Zug des römischen Erbrechts bis auf die justinianische Gesetzgebung. Zeigt sich hierin eine Nachwirkung der alten Gewaltnachfolge, so gilt das gleiche auch von dem Prinzip der Universalsukzession5, dessen strenge Durchführung dem römischen Erbrecht zu allen Zeiten eigentümlich war. Der Erbe erwarb das Erbgut als Ganzes und auf einmal, nicht die einzelnen Erbschaftsgegenstände oder einzelne Gütermassen besonders. Auf dieser Vorstellung beruht die scharfe Scheidung zwischen Erbfolge (hereditas) und letztwilligem Erwerb einzelner Sachen und Rechte (Vermächtnis, legatum).

Wesen und Vorgeschichte des römischen Erbrechts sind Gegenstand zahlreicher, einander vielfach widerstreitender Hypothesen. Einen Überblick über die älteren Erbrechtstheorien vermittelt v. Woess: D. röm. Erbr. u. d. Erbanwärter 2ff., 1911. Von tiefem Einfluß auf die jüngere Forschung waren die Arbeiten von Bonfante, jetzt gesammelt in Scr. giur. var. I; Darstellung und Kritik der Hauptgesichtspunkte bei Rabel: ZSSt. 50, 295ff. Nach Bonfante ist die römische Erbfolge ihrem Wesen nach ursprünglich eine Nachfolge in die als politische Gewalt gedachte Herrschaftsmacht des Hauptes einer agnatischen Großfamilie oder (so zuletzt, vgl. Corso VI 87f.) des Hauptes der gens; der Erwerb des hinterlassenen Vermögens durch den Erben ist nur eine Folge dieser Nachfolge in die „Souveränität“; das Testament gehört bereits dem Urrecht an und diente ursprünglich der Auswahl des Nachfolgers unter den Gewaltunterworfenen. Von diesen Grundgedanken aus deutet Bonfante den gesamten Aufbau des römischen Erbrechts der geschichtlichen Zeit. — Der Erbrechtstheorie Bonfantes folgt die Mehrzahl der italienischen Forscher (immerhin scheint die Zahl der Gegner auch in Italien zu wachsen; vgl. z.B. Perozzi: Ist.II2 442ff.; Arangio-Ruiz: Le genti e la città, Progr. Messina 1914; Ist.3 489ff.; Coli: Lo sviluppo delle varie forme di legato 32ff.; Segrè, A.: Ricerche di dir. ered. rom., bes. 100ff.). Die deutsche Forschung dagegen zeigt der Lehre Bonfantes gegenüber starke Zurückhaltung und teilweise ganz andere Grundvorstellungen; so vertritt insbes. Lenel: Essays in legal history 120ff., 1913; ZSSt. 37, 129ff. die Meinung, daß das Vermögen, und zwar nicht als abstrakte Einheit, sondern in seiner konkreten Erscheinung als eine Summe von einzelnen Gegenständen, den ursprünglichen Inhalt der Erbfolge gebildet habe („materialistische“ Erbrechtstheorie); das Testament ist nach Lenel sekundär und diente ursprünglich nur der Vergabung einzelner Nachlaßgegenstände (der Verteilung des Nachlasses, Legatentestament). Der Auffassung Lenels steht nahe Korošec: D. Erbenhaftung nach röm. R. I (Leipz. rechtswiss. Stud. 29) 12ff., bes. 21ff., der im übrigen die Haftung des Erben für Nachlaßverbindlichkeiten als eine junge Neubildung dartun will (gegen ihn Bonfante: Arch. giur. 100, 129ff.; Rabel: ZSSt. 49, 580ff.). Dagegen stimmen Siber Röm. R. II 328ff.; Acta Academiae universalis iurisprudentiae comparativae I 986ff. und Rabel: Grundzüge d. röm. Privatr. 517ff.; ZSSt. 50, 295ff., insoweit mit Bonfante überein, als sie die Nachfolge in die Familiengewalt als Ausgangspunkt der Erbfolge ansehen; im übrigen schlagen sie jedoch in weitem Umfange andere Wege ein. Ihnen verwandt auch Mitteis: Röm. Privatr. I 93ff., der aber mehr den engen Familiennexus zwischen Eltern und Kindern, die „transzendente Vorstellung der Unsterblichkeit des Individuums in seinem Samen“ als Grundprinzip des römischen Erbrechts in den Vordergrund stellt.

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© 1949 Springer-Verlag / Berlin · Göttingen · Heidelberg

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Wenger, L., Kunkel, W. (1949). Geschichtliche Grundlegung. In: Römisches Recht. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, vol 2/3. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-96428-2_24

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