Zusammenfassung
„Niemand, der sich heute der neueren deutschen Geschichte zuwendet, kann an der Tatsache vorbei, daß sie die planmäßige Ermordung von Millionen Juden einschließt.“ Mit diesen Worten beginnt der Historiker Zmarzlik eine Darstellung des Antisemitismus in Deutschland vor Hitler. Dieser Satz gilt erst recht für jeden, der sich als Wissenschaftler mit dem Sachgebiet der Anthropologie und der Humangenetik beschäftigt. Ist doch die Rassenkunde ein Teilgebiet der Anthropologie; sie beschreibt nicht nur die Variabilität der Species Mensch, sie versucht auch Einblicke zu gewinnen in die Ursachen dieser Variabilität und in die populationsgenetischen Mechanismen der Rassenbildung, der Entwicklung von Rassen und ihrer Veränderungen; allgemein gesprochen, der Rassendynamik. Die uns allen augenfällige Gruppenvariabilität des Menschen ist aber nicht nur Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung geblieben. Erschreckend häufig wurde sie Anlaß zur Entwicklung von Rassenideologien, die regelmäßig Wertungen enthalten: Vorzüge der einen, meist der eigenen Gruppe, werden vermeintlichen Fehlern und Mängeln bei den Mitgliedern einer anderen Gruppe gegenübergestellt. Und regelmäßig bleibt es nicht nur beim rein verbalen Vergleich; die menschliche Geschichte ist reich an Beispielen dafür, daß dieser Vergleich in eine Diskriminierung und Verfolgung umschlägt. Die Wurzeln dieses Verhaltens reichen offenbar in sehr tiefe Schichten unserer menschlichen Natur; sie scheinen sich einer rationalen Analyse weitgehend zu entziehen. So erscheint uns auch die Rassenideologie des Nationalsozialismus heute noch weitgehend unbegreiflich; eine fast irrationale Scheu und Angst hat lange Zeit die offene Diskussion dieses dunklen und bedrückenden Kapitels unserer eigenen Geschichte verhindert.
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Baitsch, H. (1973). Die Rassenideologie des Nationalsozialismus. In: Autrum, H., Wolf, U. (eds) Humanbiologie. Heidelberger Taschenbücher, vol 121. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-96143-4_4
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