Technik und Mathematik

Zusammenfassung

Wo sich die Anfänge menschlicher Zivilisation und Kultur im schriftlosen Dunkel verlieren, wäre es müßig, nach dem Verhältnis von Technik und Mathematik zu fragen, ginge man dabei von den heutigen Begriffen aus. Weder gab es eine Wissenschaft von der Mathematik noch einen abgegrenzten Bereich von Technik. Was wir ausmachen können in der bruchstückhaften Überlieferung, aus der die Fachleute den Beginn der Menschheitsentwicklung zu rekonstruieren versuchen, sind zunächst nur Elemente mathematischen Empfindens und Denkens auf der einen, einfachste Beispiele handwerklichen Schaffens auf der anderen Seite. Wenn wir heute solche Elemente isolieren und sie als technisch oder mathematisch erkennen, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß es eines langen Prozesses bedurfte, bis der Mensch lernte, sie begrifflich zu unterscheiden. Was immer der erste Töpfer, der ein Gefäß bewußt mit einem geometrischen Ornament verzierte, oder jener, der als erster eines abends die Anzahl der mit seinen Händen geformten Schüsseln zu bestimmen versuchte, bei dieser Tätigkeit empfunden oder gedacht haben mag — es war ihnen ebenso wenig bewußt, daß damit etwas Mathematisches in ihr Tun eingeflossen war, wie sie die Verwendung eines Holzes anstelle der Hand bei der Formung des Lehms als etwas Technisches hätten begreifen können. Und selbst, als in den frühen Hochkulturen ein reicher Schatz mathematischer Regeln und Vorschriften zur Verfügung stand und die technischen Möglichkeiten des Menschen gewaltig angewachsen waren, ist es wohl erst die Sicht des historischen Betrachters, die das eine als der Mathematik, das andere als der Technik zugehörig sieht und entsprechend klassifiziert.

Die Abschnitte vom Altertum bis zur Renaissance wurden von Christoph J. Scriba, die Beiträge vom Barock bis zur Gegenwart von Bertram Maurer verfaßt.