Zusammenfassung
„Die Vererbungserscheinungen haben mit anderen biologischen Erscheinungen gemeinsam, daß sie sich, wegen der Komplexität der ihnen zugrunde liegenden Vorgänge und der daraus resultierenden Variabilität der Manifestation bei verschiedenen Individuen oder Gruppen von Individuen oft nur mittels statistischer oder wahrscheinlichkeitstheoretischer Modelle beschreiben und deuten lassen. Derjenige Teil der Vererbungswissenschaft, der zur Erklärung der Vererbungserscheinungen, statt wie die Cytogenetik auf der Ebene der Zellstrukturen, beim Erscheinungsbild und der Variabilität bestimmter Merkmale bei verwandten Individuen ansetzt und für diese Variabilität Gesetzmäßigkeiten zu finden sucht, ist als statistische Genetik bekannt. Als ersten Vertreter dieser Forschungsrichtung kann man den Begründer der modernen wissenschaftlichen Vererbungslehre, GREGOR MENDEL, selber erwähnen, der um 1886 seine berühmten Studien über Pflanzenhybriden unternahm, als neuere Vertreter ragen die Biometriker und Statistiker Galton, Fisher und Wright hervor. Während sich Mendel hauptsächlich noch mit auf einem einzigen Allelenpaar beruhenden einfachen Merkmalen befaßte, die sich in qualitativen Unterschieden wie Blütenfarbe, Erbsenform und -farbe äußerten, hat sich die Forschung im Laufe der Zeit auch den genetischen Grundlagen von quantitativen Merkmalen wie z. B. der Körpergröße und dem Körpergewicht zugewandt, von denen man annimmt, daß dabei eine große Zahl von Allelenpaaren und meist auch bestimmte Umweltwirkungen beteiligt sind. Inwieweit solche quantitativen Merkmale genetisch und inwieweit sie umweltbedingt sind, kann untersucht werden, indem man eine genügende Anzahl Individuen, die in bestimmter verwandtschaftlicher Beziehung stehen und verschiedenen Umwelten ausgesetzt werden, systematisch untersucht, was seinerseits wiederum nur mit mathematisch-statistischen Hilfsmitteln durch eine zweckmäßige Anlage der Versuche und eine entsprechende statistische Analyse der Ergebnisse möglich ist. Ein solch systematisches Vorgehen, das selbstverständlich nur bei der Züchtung denkbar ist, hat den Zweck, bestimmte statistische Maßzahlen wie etwa die Heritabilität oder den Zuchtwert zu erhalten, die den genetisch bedingten Anteil der Gesamtvariabilität bzw. die genetische Qualität der Nachkommen beschreiben“ (Kaelin 1960).
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Literatur
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Le Roy, H.L. (1961). Die künstliche Selektion nach quantitativen Merkmalen. In: Autrum, H., et al. Ergebnisse der Biologie. Ergebnisse der Biologie / Advances in Biology, vol 24. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94805-3_2
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