Zusammenfassung
Die Parteien bilden, wie heute allgemein zugegeben wird, einen nicht wegzudenkenden Bestandteil der Demokratie. Aber noch vor 150 Jahren waren ihre heutige Stellung und Funktion im allgemeinen unvorstellbar1. So hielt man bei der Gründung der Vereinigten Staaten das „Volk“ für fähig, als Einheit zu handeln. Wie bekannt ist, warnte Washington in seiner Abschiedsbotschaft vor den „Faktionen“. Spätere Historiker haben spöttisch bemerkt, Washington habe die Versuche, die Herrschaft seiner eigenen Partei, der Föderalisten, zu stören, als ungerechtfertigtes Parteigezänk angesehen. Dies trifft insofern nicht ganz zu, als Washington in den „Föderalisten“ keine Partei erblickte. Was später das Parteiprogramm der Föderalisten ausmachte, war für ihn noch die eine gesunde, patriotische amerikanische Politik, für die es keine klar umrissene Alternative gab. Gewiß, bereits im 18. Jahrhundert ahnten die scharfsinnigsten Beobachter Englands etwas von der Rolle, welche die Partei als Teil der staatlichen Ordnung spielen sollte. Aber Bolingbrokes überzeugende Argumente gegen ein solches System und seine Bereitschaft, es mit „Korruption“ gleichzusetzen und das Ideal eines patriotischen Königs zu verherrlichen, steckten noch in vielen Köpfen. Merkwürdigerweise revoltierten die amerikanischen Siedler gleichzeitig gegen diese Korruption im Parlament und gegen die Tyrannei des Königs, der damit fertig zu werden suchte.
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Hinweise und Anmerkungen
Zum Wandel in der Einstellung zu den Parteien siehe John Adams, Defense of the Constitutions (1787). Zu den Bemerkungen über Washington vgl. z. B. S. E. Morison, The Oxford History of the United States (1927), Vol. I, p. 234, ferner auch L. D. White, The Federalists (1948), für weitere Einzelheiten. Boling-Brokes Ideen sind dargelegt in The Patriot King (1749). Zu dem gesamten Fragenkomplex der Korruption siehe die gründliche Studie von L. B. Namier, The Structure of Politics at the Accession of George III (1929) und die gleichermaßen aufschlußreiche Monographie von Holden Furber, Henry Dundas, First Viscount Melville, 1742–1811, Political Manager of Scotland, Statesman Administrator of British India (1931).
Zum Beginn dieses Abschnitts siehe die Aufsätze von W. C. Abbott, namentlich „The Origin of English Political Parties“ in American Historical Review, Vol. XXIV (1918/19), pp. 578ff. Vgl. auch M. T. Blauvelt, The Development of Cabinet Government in England (1902), G. M. Trevelyan, The Two-party System in English Political History (1926) und das zum vorausgegangenen Abschnitt erwähnte Werk von Namier. Zu der Feststellung von N. Wraxall vgl. dessen Memoirs (1779), Vol. II, pp. 498ff. Siehe auch die Ausführungen über das Kabinettssystem in Kap. XVIII.
Siehe Sir Erskine May, The Constitutional History of England since the Accession of George the Third (3rd ed. 1871), Ch. XVIII. Die Ansichten Lord Macaulays sind dargelegt in seinem Werk, The History of England (ed. Firth 1913), Ch. I. Eine sehr gute Untersuchung über die Entstehung von Parteiorganisationen in der Zeit des Langen Parlaments gibt J. H. Hexter, The Reign of King Pym (1941), namentlich Chs. III, VIII und IX, wovon ein Abriß zu finden ist in der Sammlung der zusammengefaßt wiedergegebenen Doktordissertationen, die die Harvard University Press jährlich herausbringt.
Zur Entwicklung in England siehe Trevelyan, op. cit., über Frankreich Joseph-Barthélemy, Introduction du Regime Parlementaire en France (1904), eine Schrift, die sich mit der Anfangsphase befaßt. Wichtig sind auch Georges Weill, Histoire du Parti Républicain en France, 1814–1870 (1928) und Gabriel Hanotaux, Histoire de la France comtemporaine 1871–1900 (1903–1908), sowie Roger H. Soltau, French Parties and Politics, 1871–1921 (new ed. 1930).Über Deutschland siehe S. Neumann, Die Deutschen Parteien (1932) und Ludwig Bergsträsser, Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 6. Aufl. 1932). Über die sozialdemokratische Partei insbesondere siehe Franz Mehring, Geschichte der deutschen Sozialdemokratie (12. Aufl. 1922).
Die Ausführungen dieses Abschnitts stützen sich, abgesehen von einigen wichtigen Abweichungen, auf die Ansichten von Max Weber und Robert Michels. Letzterer hat gezeigt, daß die „ideellen“ Zwecke oft enger mit der Macht verquickt sind als die materiellen. Siehe auch E. P. Herring, The Politics of Democracy (1940), Chs. III und VII.
Vgl. H. F. Gosnell, Machine Politics: Chicago Model (1937) und die Werke von John T. Salter, auf die in den Vorbemerkungen zu Kap. XIV verwiesen ist. Holcombes Ansichten vgl. in seinen Schriften, Political Parties of Today (1924) und The Middle Classes in American Politics (1940).Ferner sind zu erwähnen A. M. Bingham, Insurgent America; Revolt of the Middle Classes (1935) sowie P. H. Odegard und E. A. Helms, American Politics: A Study in Political Dynamics (1938, new. ed. 1947).Eine ausgezeichnete Darstellung der praktischen amerikanischen Politik gibt Ed. Flynn, You’re the Boss (1947).
Zu Julius Hatscheks Theorie vgl. dessen Englisches Staatsrecht, Bd. II (1905), S. 8ff. Das Zitat aus Humes „Essay on Parties“ in Essays and Treatises (1760), Vol. I, pp. 93ff., findet sich auf S. 97.
Siehe insbesondere John T. Salters Kapitel „Of the People“ in The Pattern of Politics (1940), sowie C. E. Merriam und H. F. Gosnell, The American Party System (4th ed. 1949), Chs. VI und VII. Zu den Ansichten von Michels vgl. op. cit. pp. 400ff., passim, und seine Probleme der Sozialphilosophie (1914).Das Zitat findet sich in Robinson’s Diary, Vol. II, p. 316. Es ließen sich noch viele ähnliche Feststellungen zitieren, so z. B. die scharfen Bemerkungen von Single- Speech Hamilton, die im Vorwort zur neuen Ausgabe seiner Schrift Parliamentary Logic (ed. 1927 von C. S. Kenny). Vgl. zu diesem Thema Josef Redlich, Recht und Technik des englischen Parlamentarismus (1905), S. 360ff.
Schattschneiders Argument findet sich in seiner Schrift, The Struggle for Party Government, the University of Maryland (1948), die sich auf sein älteres, oben erwähntes Buch stützt.
Zu diesem Abschnitt siehe die berühmte geschichtliche Abhandlung von M. O. Strogorski, op. cit. Vol. I, pp. 117ff.
A. Lawrence Lowell, Public Opinion in War and Peace (1923), Ch. VII. Das Buch von Friedrich Röhmer trägt den Titel, Lehre von den Politischen Parteien (1844).
Andre Siegfrieds Studie ist enthalten in der bekannten Monographie, Tableau Politique de la France de l’Ouest (1913). A. Holcombe hat in den an früherer Stelle erwähnten Werken die Wechselbeziehung zwischen der sozialen Klasse und der Parteientwicklung herausgearbeitet. Die gesamte Schule der Wirtschafts- und Sozialhistoriker hat zahlreiche Beiträge geleistet. Siehe insbesondere A. M. Schlesinger, Political and Social History of the United States (1925).Was Deutschland angeht, so vgl. die umfassende Darstellung Die Deutschen Parteien; Wesen und Wandel nach dem Kriege (1932) von Sigmund Neumann. Über Frankreich als Ganzes siehe André Siegfried, Tableau des Partis en France (1930), ein Werk, das reich ist an blendenden Verallgemeinerungen, aber auch an verläßlicher Einsicht. Die Ergebnisse, zu denen Stuart Rice gelangt ist, sind dargelegt in seinem Werk Farmers and Workers in American Politics (1924).
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Friedrich, C.J. (1953). Politische Parteien und ihre allgemeinen Probleme. In: Der Verfassungsstaat der Neuzeit. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94600-4_20
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