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Ernst Dronke an Lassalle

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Zusammenfassung

Ihren Brief habe ich infolge der verwickelten Verhältnisse, unter denen ich hier wohne, etwas später erhalten, als es sonst der Fall gewesen wäre. Ich bin Ihnen für den Beweis von Teilnahme, den Sie mir darin geben, um so dankbarer, als ich sehe, daß Sie selbst in der Misère sitzen; für mich kann ich Ihnen indes versichern, war Ihre Sendimg mit dem, was mir Freiligrath noch aufgetrieben hatte, ein wahrer Schatz, der mir wochenlange, fabelhafte Träume von den ägyptischen Fleischtöpfen zu realisieren versprach. Sie machen sich wirklich von dem Hundeleben hier gar keinen Begriff. Furcht vor den Wirtsleuten, die mir eines Abends beim Nachhausekommen meinen Zimmerschlüssel zu verweigern versprachen, so daß ich buchstäblich aufs Pflaster gesetzt gewesen wäre; das fröhliche Bewußtsein, von der Pariser Polizei gesucht zu werden, die schon dreimal in einem Hotel, das ihr als meine Herberge denunziert ist, Nachforschungen anstellte; dazu keine Aussicht, in dieser Situation zu arbeiten und sich aus der Misère zu ziehen, wenn man morgens beim Aufstehen nur auf künstliche Mittel denken muß, sich über die Stunde des Mittagtisches hinauszuwinden — alles das zusammengenommen läßt mich doch etwas an der unbedingten Richtigkeit des Freiligrath-schen Ausspruchs, den Sie zitieren, irre werden. Was die massenhaften Ausweisungen der Deutschen betrifft, so weiß ich jetzt, daß sie auf Denunziation der preußischen Gesandtschaft erfolgen, die seit drei Monaten den elenden Hund Duncker2) aus Berlin hier zum Ausschnüffeln von Flüchtlingen bezahlt. Vorgestern kam der Berliner Vereinbarer Schramm3) hierim Hôtel de la Gironde an und wurde am folgenden Morgen mit einem Ausweisungsdekret begrüßt; der Biedermann ging zum Polizei-präfekten und beschwerte sich, da er einen preußischen Paß habe und nicht in die Kategorie der gemeinen, paßlosen Flüchtlinge gehöre, worauf ihm der Präfekt die naive Antwort gab: „Wenn Sie eine Erlaubnis der preußischen Gesandtschaft bringen, können Sie hier bleiben!“ Damit stimmt überein, daß von den zahllosen Wiener Flüchtlingen nur einer, der elende Renommist und politische marchand d’habit Tausenau ausgewiesen ist; die Preußen sind an gemeinem Denunziantenwesen also noch gemeiner als die Österreicher.

Paris, 20. Oktober- [1849.] Lieber Lassalle!

Der Dichter und Schriftsteller Ernst Dronke (1823 bis Anfang der neunziger Jahre) hatte der Redaktion der „Neuen Rheinischen Zeitung“ angehört. Dieser Brief ist es, auf den Lassalle sich mit Bezug auf die französischen Zustände in seinem Schreiben an Marx vom 24. Oktober berief. Vgl. Ferdinand Lassalle, Nachgelassene Briefe und Schriften. Bd. III S. 15.

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  1. Der Dichter und Schriftsteller Ernst Dronke (1823 bis Anfang der neunziger Jahre) hatte der Redaktion der „Neuen Rheinischen Zeitung“ angehört. Dieser Brief ist es, auf den Lassalle sich mit Bezug auf die französischen Zustände in seinem Schreiben an Marx vom 24. Oktober berief. Vgl. Ferdinand Lassalle, Nachgelassene Briefe und Schriften. Bd. III S. 15.

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  2. Der Polizeirat Duncker vom Berliner Polizeipräsidium hatte schon im Vormärz der sozialistischen und kommunistischen Agitation seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

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  3. Rudolf Schramm (1813–1882), 1848 Präsident des Demokratischen Klubs in Berlin; 1849 wegen Steuerverweigerung verurteilt flüchtete er ins Ausland, kehrte 1857 nach Preußen zurück und schloß sich gleich 1862 Bismarck an.

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  4. Für die Auffassung der damaligen französischen Zustände durch die Dronke nahestehenden Kreise vgl. ausführlicher Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848–1850 in „Neue Rheinische Zeitung, Politisch-ökonomische Revue“ 1850 (neugedruckt mit Einleitung von Friedrich Engels, Berlin 1895) und Sebastian Seiler, Das Komplott vom 13. Juni 1849 oder der letzte Sieg der Bourgeoisie in Frankreich, Hamburg 1850.

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  5. Graf Mole (1781–1855) war ebenso wie Guizot und Thiers unter dem Bürgerkönigtum Ministerpräsident gewesen.

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  6. Die „Westdeutsehe Zeitung“.

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Gustav Mayer

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Mayer, G. (1923). Ernst Dronke an Lassalle. In: Mayer, G. (eds) Lassalles Briefwechsel von der Revolution 1848 bis zum Beginn seiner Arbeiteragitation. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94436-9_16

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