Zusammenfassung
Überblickt man meinen bisherigen akademischen Werdegang, so wird man ihn als üblichen bezeichnen können. Denn trotz einiger Hindernisse und Hemmungen scheint die Entwicklung eine glatte und bequeme zu sein. Das sollte nach einiger Zeit in Rostock anders werden, und eigentlich hätte schon der Berlauf der Verhandlungen mich etwas stutzig machen sollen. Zunächst aber entwickelte sich alles rosig, wenn auch der Eintritt ins Institut ein eigenartiger war. Ich traf am 28. September in Rostock ein, was ich Professor Thierfelder vorher mitgeteilt hatte. Als ich gleich am Nachmittag ins Institut ging, war es zwar unverschlossen, aber völlig menschenleer. Nach einiger Zeit erschien der Diener Rofahl unter hörbar zischendem Geräusch (er trug nach einem Luftröhrenschnitt dauernd eine Ranüle) und erklärte mir, nachmittags würde im Institut Über-haupt nicht gearbeitet. Am nächsten Bormittag erschien ich um 8 Uhr und begann mich in dem Assistentenzimmer ein-zurichten, wurde auch von niemand gestört, bis etwa um 10 1/2 Uhr ein pfeifender Herr erschien, der sich mir als die zur Zeit einzige Hilfskraft, „Volontärarzt Dr. Leutert“, vorstellte. Er käme, um nachzusehen, „ob etwas los wäre“. Professor Thierfelder käme vorläufig nicht ins Institut, da ihm vor vierzehn Tagen von seiner zweiten Frau ein Rnabe geboren sei; überhaupt sei doch in den Ferien kein Betrieb, und auch im Semester ginge, abgesehen von den zwei Tagen, wo mikroskopischer Rurs sei, Professor Th. mit Assistenten oft zu einem kleinen Frühschoppen. Jch sagte, das würde nun an-ders werden und fand bei Dr. L. freudige Zustimmung, da er das Bedürfnis empfand, etwas zu lernen und bisher jede Anleitung vermißt hatte. Er war sehr offen, wußte aber selbst noch nicht, wie abgründig tief seine Unkenntnisse nicht nur auf dem Gebiet der Pathologie, sondern ziemlich der ge-samten ärztlichen Wissenschaft waren. Tatsächlich hat sich Leutert dann auch — nur gelegentlich durch alkoholische Entgleisungen unterbrochen — redlich bemüht, die großen Lücken seiner Renntnisse und Fertigkeiten auszufüllen, und er ist mir stets ein treuer und dankbarer Schüler geblieben, auch als er schon ordentlicher Professor der Ohrenheilkunde an der Universität Gießen und ich abseits vom Wege an wenig bemerkens-werter Stelle war.
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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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Lubarsch, O. (1931). Rostock, Heirat, Mißhelligkeiten und Kampf mit der Fakultät. In: Ein bewegtes Gelehrtenleben. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94427-7_4
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