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Zusammenfassung

Der innere Werdegang, den ich schildern werde, umfaßt beinahe 20 Jahre. Auf Wunsch meines früh verstorbenen katholischen Vaters hatte ich, trotzdem ich Protestantin bin, ein Jahr in einem Kloster verbracht. Meine frühere Absicht, Lehrerin zu werden, fiel dort dahin, denn im Kloster fühlte ich die Berufung Nonne zu werden. In jener Zeit war ich problemlos und zufrieden und versuchte das Leben einer Heiligen nachzuleben. Ich erstrebte Erlösung durch heilige Werke und Entsagung, um damit eine Vollkommenheit zu erreichen, wie sie mir in der Klostererziehung angelernt wurde. Diese Vollkommenheit sollte rein sein von Leidenschaften, von Gier und Lust, welche nach der kirchlichen Lehre hier auf Erden der Quell allen Unrechts und aller Sünde sein sollen. Äußere Verhältnisse brachten es jedoch mit sich, daß ich in meine Familie zurückkehren mußte. Ich konnte hierdurch aber wenigstens meine frühere Absicht verwirklichen, pädagogisch zu arbeiten. Dann kamen die Kriegsjahre. Von neuem drängte sich in mir das Bild der Nonne auf. Als Krankenschwester konnte ich es endlich, wie mir schien, dem Sinne nach verwirklichen. Durch die Ausübung des Berufes bekam ich einen ersten Einblick, was hinter jeder körperlichen Erkrankung bei meinen Patienten und in mir selbst verborgen lag. Als aber die Patienten in ihrer inneren Not mich zur Seelsorgerin stempeln wollten, genügte das berufliche Können und die menschliche Teilnahme der übergroßen Anforderung nicht mehr. Die Einseitigkeit eines solchen Opferdienstes brachte mich in eine Verwirrung, aus der heraus kein Weg mehr sichtbar war, denn in der Einfalt meiner Einstellung als barmherzige Schwester fehlte das Bewußtsein von einem eigenen Leben mit Licht und Schatten. Ich wurde in Zweifel gestürzt, die mein ganzes Dasein verdunkelten. Das plötzliche Unversöhntsein mit dem im Beruf Erreichten, das ich doch so heiß ersehnt hatte, konnte von meinem Bewußtsein nicht mehr bewältigt werden. Die Versöhnung konnte nur gesucht werden in dem Schaffen an der eigenen Menschwerdung durch alle Wirrnis und Trägheit hindurch. Es war ein langer Weg, dessen Stationen durch Träume und Visionen bezeichnet werden. Eine Analyse dieser Träume beabsichtige ich nicht, ich gebe nur verbindende Gedanken, die mir dazu aufgestiegen sind. Die ersten Träume fallen in die Krankenschwesterzeit, als ich noch ohne alle psychologischen Kenntnisse war. Die letzten Träume erreichen beinahe die Gegenwart und sind das Ergebnis einer jahrelangen Arbeit.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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Bianchi, I. (1935). Vom Werdegang des inneren Menschen. In: Die Kulturelle Bedeutung der Komplexen Psychologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94245-7_23

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