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Part of the book series: Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie ((MONOGRAPHIEN,volume 4))

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Zusammenfassung

Müssen wir annehmen, daß die Erlebnisse, die pathogen werden, mit einem starken Affektzustand einhergehen, so können wir uns vorstellen, daß durch den starken Affekt eine Einengung des Bewußtseins stattfindet. Dieser Zustand ist einem hypnoiden sehr ähnlich. Dies erhellt schon daraus, daß es bei vielen Patienten gelingt, die Komplexe wieder durchleben zu lassen, wenn sie bei äußerer und innerer Ruhe einfach die Augen schließen. Das ist der Fall besonders bei solchen Individuen, die auch sonst schon außerordentlich sensitiv sind und ein sehr leicht ansprechbares Gehirn besitzen. Sind solche Patienten über die Vorgänge der Behandlung aufgeklärt, so treten die affektbetonten Vorstellungen ganz besonders leicht und mit größter Lebhaftigkeit wieder ins Bewußtsein. Sie verfallen dabei in einen ganz leichten, aber deutlich erkennbaren hypnoiden Zustand. In weitaus den meisten Fällen benütze ich zur Behandlung die Hypnose. Ich suche dabei einen solchen oberflächlichen Schlaf zu erzielen, bei dem das Oberbewußtsein erhalten bleibt, und zwar eingeengt, in dem Grade noch, daß die aus dem Unterbewußtsein auftauchenden, in der Regel stark affekt betonten Vorstellungen von früher erlebten Szenen deutlich wieder gesehen und mit dem zugehörigen Affekt wieder durchlebt werden. Es erfolgt dieses Wiederdurchleben in einem Schlafzustand, den ich Halbschlaf nennen möchte. Am leichtesten wird den Patienten der zu erreichende Zustand klar, wenn ich sie an den bekannten Zustand erinnere, den wir oft in oberflächlichem Schlaf erleben, indem wir träumen, dabei das Bewußtsein haben, daß wir träumen und uns dem Trauminhalt kritisch gegenüberzustellen vermögen. Bei der Einleitung der Hypnose selbst vermeide ich jedes überflüssige Wort. Viele Patienten scheuen zunächst vor der Hypnose zurück: sie fürchten, ein willenloses Werkzeug des Arztes zu werden. Es ist deshalb nötig, die Patienten darüber aufzuklären, daß die Behandlung in einem tieferen Schlaf unmöglich ist, daß sie wohl schlafen, aber doch fortwährend bei Bewußtsein bleiben, daß sie alles hören, was um sie vorgeht und auch jeden Augenblick imstande sind, von selbst zu erwachen. Das beruhigt die Patienten und die Beruhigung hält an, wenn man stets alles vermeidet, auch jede Suggestion, was nicht zur Sache gehört. Ich verzichte deshalb auf alle die seither üblich gewesenen suggestiven Einwirkungen, vermeide jede unnötige Berührung des Patienten und alles, was nur ans Theatralische oder an Mystisches erinnern könnte. Es mag hier noch darauf hingewiesen werden, daß die Gegenwart eines Zeugen bei dieser ganz oberflächlichen Hypnose überflüssig ist, ja sie würde sogar in der Regel störend wirken. Der Patient bleibt in einem solch bewußten Zustande, daß er in jedem Moment weiß, was geschieht; er kann selbst in jedem Augenblick den Schlafzustand unterbrechen. Vor allem ist es notwendig und auf diesen Umstand möchte ich mit allem Nachdruck aufmerksam machen, daß, wie beim normalen Schlaf, es sich auch beim hypnotischen verhält: dieser kann nur in einem affektfreien Zustand eintreten. Wie wir später sehen werden, beruht jede Schlafstörung schließlich auf einer Affektstörung. Beobachtet man, daß der Patient sich in einem Affektzustand befindet, z. B. ängstlich ist, so sucht man ihn zu beruhigen oder ihn abzulenken, dadurch, daß man ihn ganz unauffällig in ein Gespräch zieht, während man ihn aufs genaueste beobachtet. Nach einiger Übung erkennt man leicht, wann der Augenblick gekommen ist, in dem man mit der Hypnose beginnen kann. Außerordentlich wichtig ist bei der Einleitung der Hypnose die bequeme Lagerung des Patienten, aber auch die des Arztes ; denn oft gehört das Ausharren in einer bestimmten Lage während einer Stunde dazu, um den Patienten in seiner Ruhe nicht zu stören. Oft kann bei empfindlichen Patienten die geringste Bewegung des Arztes oder ein minimales Geräusch störend wirken. Die meisten Patienten lernen es, nach einiger Übung die äußeren Einwirkungen zu vernachlässigen. In der Regel soll eine Sitzung nicht länger als eine Stunde dauern, doch braucht es manchmal auch zwei Stunden und auch drei, wenn man beobachtet, daß bei dem Patienten sich eine Szene einstellen will, die ihn beunruhigt.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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© 1913 Julius Springer in Berlin

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Frank, L. (1913). Die kathartisch-analytische Behandlung im Halbschlaf. In: Affektstörungen Studien über Ihre ätiologie und Therapie. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 4. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94209-9_6

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  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

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