Zusammenfassung
Wie das gemeine Recht unterscheidet auch das BGB. eine auf dem Willen des Erblassers beruhende und eine von ihm unabhängige (gesetzliche) Erbfolge. Die Rechtsgeschäfte, durch die der Erblasser für den Fall seines Todes über sein Vermögen verfügt, nennt das Gesetz im Anschluß an die negotia mortis causa des gemeinen Rechts Verfügungen von Todes wegen. Diese sind entweder Testamente oder Erbverträge (§§ 1937, 1941). Dagegen kennt unser Recht nicht mehr die dritte Art von Rechtsgeschäften von Todes wegen, die das gemeine Recht anerkannt hatte, nämlich die Kodizille. Dies hängt mit der Umgestaltung des Testamentsbegriffs im BGB. zusammen. Im römischen Recht war Testament wesentlich das Rechtsgeschäft, durch das sich der Erblasser einen Erben ernannte, so daß die Erbeinsetzung den unentbehrlichen Inhalt des Testamentes bildete. Dem Zwecke, Singularverfügungen von Todes wegen ohne eine Ernennung von Erben zu treffen, konnte daher das Testament nicht dienen, und so entwickelte sich neben ihm ein weiteres Rechtsgeschäft von Todes wegen, von geringeren Formalitäten, das Kodi-dizill. Im deutschen Recht des Mittelalters dagegen verstand man unter Testament ein Rechtsgeschäft, das gerade Einzelverfügungen von Todeswegen, vor allem zugunsten von Kirchen und milden Stiftungen, treffen sollte. Mit der Rezeption des römischen Rechts wurde dann zwar sein Testamentsbegriff rezipiert, aber ohne daß die römische Unterscheidung von Testament und Kodizill im Volke lebendig zu werden vermochte; man verstand vielmehr unter Kodizillen vorwiegend nachträgliche Änderungen und Ergänzungen des im Testamente niedergelegten letzten Willens.
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Binder, J. (1923). Letztwillige Verfügungen (Testamente). In: Bürgerliches Recht Erbrecht. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, vol 9. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94199-3_2
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