Zusammenfassung
Mindestens mehrere zehntausend Jahre dürfte es gedauert haben, bis der Urmensch den aufrechten Gang erlernt und beherrscht hat. Ganz langsam änderte sich dann die Form der einzelnen Wirbelkörper, wurden Knochen, Muskeln und Gelenke den veränderten statischen Bedingungen angepaßt. Doch jetzt haben wir es geschafft! Wir sind vom Vierbeiner über die vielumstrittene Stufe des Affen zum Zweibeiner gelangt. Vielleicht sind wir aber auch nur ein Zufallsprodukt der Entwicklung, eine Mutation, die lediglich ein wenig besser als der eben zitierte Stammvater die Lebensbedingungen zu beherrschen gelernt hat. Leider ist diese Fähigkeit inzwischen derart perfekt, daß der Kurzschluß eines einzigen derartigen Zweibeiners durch den Druck auf einen roten Knopf alles wieder kaputt machen kann. Wozu dann erst diese mühsame „Entwicklungsgeschichte“, wozu die Sprache, die allein uns vom Affen wirklich unterscheidet, wenn wir uns nicht untereinander verständigen können. Nun, wir werden ja sehen, was die Zukunft noch alles bringt. Doch waren wir nicht eben beim Stehen? Im Gegensatz zum Sitzen gibt es kein falsches Stehen mehr, nur ein entspanntes und gespanntes. Die Wirbelsäule wird im Stehen in ihrer normalen Stellung belastet. Treten Ermündungserscheinungen auf, so sind sie durch Haltungswechsel oder Bewegung zu bessern. Stehen ist also eine normale, wie wir sagen, physiologische Körperhaltung neben Liegen und Hocken. Das Sitzen dagegen ist, von der „Konstruktion“ des Menschen her gesehen, ausgesprochen unnormal. Erst im Mittelalter wurden auch die Europäer „seßhaft“. Das Sitzen als Haltung für bestimmte Tätigkeiten, beim Essen und in geselliger Runde setzte sich durch. Bis dahin gab es eigentlich nur das Hocken. Viele Tätigkeiten, die wir selbstverständlich sitzend ausführen, wurden und werden heute noch in vielen Ländern der dritten und vierten Welt in hockender oder kauernder Stellung vollzogen. Das uns als Normalhaltung bei vielen Tätigkeiten und als Ruhehaltung vertraute Sitzen ist gar nicht die natürliche Körperhaltung, als die es uns erscheint. In der Frühzeit der Menschheitsgeschichte war das Sitzen im wesentlichen ein Statussymbol. Der Herrscher nahm den „Vorsitz“ ein, indem er sich auf eine erhöhte Stelle setzte, sei es ein Baumstumpf oder ein Steinbrocken (noch heute kennen wir den Vorsitzenden im Vorstand). Aus dem Baumstumpf entwickelte sich der Hocker, aus dem Steinklotz der thronartige Kastensitz. Schon in der Antike gab es die Faltstühle, später erfand man den Dreibeinstuhl, den Urtyp eines Bauern-und Wirtshausstuhles. Erst 1930 wurden von dem dänischen Arzt Dr. Akerblom Untersuchungen über die richtige Sitzflächenhöhe von Stühlen durchgeführt. Zur Unterstützung der Lendenwirbel bekamen die Rückenlehnen seiner Stühle den nach ihm benannten „Akerblom-Knick“ im Lendenbereich, ein erster Beginn von Anpassung des Sitzes an den Menschen und/oder von Ergometrie am Arbeitsplatz.
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Bockelmann, W.D. (1987). Autositz und Sitzposition. In: Auge — Brille — Auto. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-93316-5_59
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