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Zusammenfassung

Die Ansichten über den Einfluß der Kultur auf die körperlichen Leistungen des Menschen, insbesondere seiner Sinnesorgane, haben sich in dem Maße geändert, als unsere Kenntnisse sich vertieften. Noch vor einem Menschenalter nahm man an, daß der„Naturmensch“ viel größerer Leistungen fähig sei, als zivilisierte Europäer. Durch alle Lehrbücher wurden die Humboldtschen Beobachtungen1) zitiert von dem südamerikanischen Indianer, der auf 28 km, in einer Entfernung, wo Humboldt mit Fernrohr nichts erkannte, dessen Begleiter Bonpland ausfindig machte! Sehr viel Forschungsreisende und Missionare berichteten aus Afrika und Australien ähnliches, aber zwei logische Fehler sind hier meist unterlaufen. Einmal mußte man als Vergleichsobjekt für jagdgewohnte Wald- und Steppenbewohner unsere eigenen Forstleute nehmen und nicht den Forscher selbst oder den„durchschnittlichen Normaleuropäer“. Zweitens übersah man, daß für das Erkennen von Dingen, die man täglich beobachtet, nicht so sehr das physikalische Sehvermögen entscheidet, sondern der psychologische Faktor der Übung. Wenn z. B. geübte Gemsenjäger auf sehr großen Abstand Gemsbock und Muttertier unterscheiden, so genügt das Vertrautsein mit der Art des Sprunges, um das bewegte Objekt zu erkennen. Das hat aber nichts zu tun mit dem, was man wissenschaftlich als„Sehschärfe“ bzw. beim unbewaffneten Auge als„Sehleistung“ bezeichnet. Jenes ist eine komplizierte Leistung des Gehirns, diese eine solche des Auges. Ein maßgebendes Urteil über letztere ist nicht durch Jägerleistungen zu gewinnen, sondern ausschließlich durch exakte Sehprüfungen lege artis. Wenngleich solche natürlich für Naturvölker nicht in so großer Zahl vorliegen wie für Kulturmenschen, so hat sich doch evident gezeigt, daß unsere Leistungen ebenso sehr unterschätzt wurden, wie man die der Naturvölker früher überschätzte. Der Donderssche Normwert von 6/6 (entsprechend einem Sehwinkel von einer Minute) ist bekanntlich kein Durchschnittswert, sondern eine ziemlich willkürlich genommene Standardzahl, die auch von den meisten Europäern weit übertroffen wird. Nach Hess hat 90% unserer augengesunden deutschen Bevölkerung mehr als 6/6, davon 23% 12/6 bis 18/6 also zwei- bis dreifache Sehleistung, ja 3,6% haben drei- bis vierfache und 0,3% schließlich vier- bis sechsfache Leistung. Unter 50000 Breslauer Schulkindern fand Hermann Cohn sogar bei mehr als 40% doppelte Sehleistung. Mehr haben die Naturvölker (Untersuchungen von Kotelmann, Seggel, Ranke, H. Cohn an Nubiern, Lappländern, Kalmücken, Beduinen) auch nicht aufzuweisen. Mithin hat die Kultur, obgleich sie dem Kulturmenschen die Gelegenheit zur Jagd, ja den Städtern schon diejenige zur Einstellung auf weite Ferne genommen hat, die objektiv meßbare Leistung unseres Netzhaut-Sehnervenapparates zu schädigen nicht vermocht!

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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Czellitzer, A. (1927). Soziologie der Augenkrankheiten. In: Gottstein, A., et al. Handbuch der Sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-92488-0_13

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