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Die rechtlichen Grundlagen und die Organisation der Fürsorge einschließlich des Armenrechtes und des Rechtes des Kindes

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Handbuch der Soƶialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge
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Zusammenfassung

„Wohlfahrtsausschuß“ (Comité de salut public) hieß das in der französischen Revolution von dem Nationalkonvent als Zentrale der ausübenden Gewalt geschaffene oberste Regierungsorgan. Des Volkes Wohlfahrt ist das Gesamtziel jeder Regierungstätigkeit. Bei der Schaffung eines städtischen Wohlfahrtsamtes wurden in der Sitzung des Magistrates dieser Stadt gegen den Namen Bedenken vorgebracht, weil eigentlich der Magistrat selbst in seiner gesamten kommunalen Tätigkeit die Bezeichnung Wohlfahrtsamt beanspruchen könne. Wenn in den späteren Untersuchungen von Wohlfahrtspflege gesprochen werden wird, geschieht dies natürlich nicht in dem gekennzeichneten Umfang der gesamten öffentlichen Verwaltung. Es wird nur ein besonderer Zweig öffentlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit mit dem hier angewandten verengerten Begriffe bezeichnet. Über das Synonyme hinaus besteht aber eine innere Verwandtschaft zwischen der Wohlfahrtspflege im engeren technischen Sinne und der Anwendung ihres Namens bei den leitenden Organen staatlicher Verwaltung. Diese als Revolutionsschöpfungen sollten zum Ausdruck bringen, daß ein neuer im Umsturz bisheriger Rechtsordnungen geborener Staat auch auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse seiner Bürger Einfluß ausüben sollte und aktiv die gesellschaftlichen Beziehungen seiner Glieder zu wandeln, sich als Aufgabe setzen müsse. Diese tätige Einflußnahme auf gesellschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse entspricht der Wohlfahrtspflege in dem hier behandelten engeren Umfang. Mit ihrer Ausgestaltung hat sich der Begriff der Wohlfahrtspflege in den beiden letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Stammler und, ihm folgend, v. Erdberg bezeichneten die Wohlfahrtspflege als „eine freie Tätigkeit zu einer sozialen Besserung, die durch besondere Rechtseinwirkungen gerade nicht erreicht werden kann.“ Hier wird also gerade in dem Fehlen zwangsmäßiger, d. h. gesetzlicher Grundlagen und Einwirkungsmöglichkeiten, das Wesen der Wohlfahrtspflege erblickt. Wenn der Staat als Träger der Wohlfahrtspflege erscheint, dann übt er sie nach Von Erdberg nicht als Gesetzgeber, sondern nur als Organisator aus. „Denn“, so fährt er fort „sobald solche Förderung gesetzlich festgelegt wird, tritt sie aus dem Rahmen der Wohlfahrtspflege heraus.“ . . . Bei einer so scharfen Abgrenzung der Geltungsbereiche, „hört die Wohlfahrtspflege auf, Wohlfahrtspflege zu sein, sobald der Staat als Staat in ihr Gebiet eingreift, und der Staat muß seinen Charakter als Staat abtun, sobald er Wohlfahrtspflege üben will.“ Wie völlig haben sich in dem halben Jahrzehnt seit dieser Niederschrift die begrifflichen Anschauungen gewandelt. Es sind die Auswirkungen einer liberalen, manchesterlichen Staatsauffassung auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege, die auch dort wie in allen anderen Zweigen der Sozialpolitik einer der Gemeinschaftsverantwortung bewußten, Staatseingriffe und staatliches Wirken bejahenden Anschauung weichen mußte. Wenn damals gegen die ersten Rufe nach öffentlich-rechtlichen Wohlfahrtsämtern und ihrer gesetzlichen Untergründung von Erdberg einwandte, daß die Verhältnisse für einen gesetzlichen Eingriff noch nicht reif seien, so hat die Entwicklung der Nachkriegszeit und die Untergründung der Wohlfahrtspflege durch reichsgesetzliche Regelung der Jugend-Wohlfahrt und der verschiedenen Zweige öffentlicher Fürsorgepflicht wie durch landesgesetzliche Wohlfahrtspflegegesetze den Gegenbeweis erbracht. Die Wohlfahrtspflege als Teilgebiet der sozialen Reform wird, gleich dieser, sowohl von freien Verbänden gesellschaftlichen oder weltanschaulichen Zusammenschlusses wie von den umfassenden Zwangsgemeinschaften, dem Staate und den kommunalen Verbänden, getragen.

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Maier, H. (1926). Die rechtlichen Grundlagen und die Organisation der Fürsorge einschließlich des Armenrechtes und des Rechtes des Kindes. In: Gottstein, A., et al. Handbuch der Soƶialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-92486-6_1

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