Zusammenfassung
Der Einbruch des Bauchtyphus (T. a.) in die deutsche 3. Armee im Herbst 1914 unmittelbar nach der ersten Marneschlacht hatte den größten Eindruck auf mich als jungen Hygieniker gemacht. Mein Regiment (4. Sächsisches Feldart.-Regt. Nr. 48 aus Dresden) war nach dieser Schlacht in der Gegend südöstlich von Laon zwischen Craonne und Juvincourt in der Niederung des La Miette-Baches, eines Zuflusses der Aisne, eingesetzt worden. Diese Niederung ist ein Teil des großen Landschaftsglacis der Festung Reims. Hier entwickelte sich dann, ehe die Front die ersten Anzeichen der Erstarrung zeigte, ungefähr Mitte September aus dem „Durchfall“ die „Ruhr“. Bald, unmittelbar im Anschluß daran, man kann sagen, beinahe gleichzeitig erschien der T. a. Er holte sich aus den Truppen, die im offenen Biwak auf zerstampften und vom Regen aufgeweichten Gefechtsfeldern lagen, der Kälte und Nässe, abwechselnd auch der dumpfen Wärme sonniger Herbsttage ausgesetzt, auf zäher Lehmerde, die auf durchlässigem Kalk lagerte, und auf dem schwankenden Sumpfboden der Bachniederung schlafend, ein Opfer nach dem anderen heraus. Seine unheilvolle Herrschaft zeigen die T. a.-Kurven der 1., 3., 5. und 7. Armee. Und als die Reihen, zumal bei der Infanterie, sich durch den T. a. mehr und mehr zu lichten begannen, fragten wir die zurückgebliebenen Bauern aus den Dörfern jener Gegend, ob sie früher die uns quälende Krankheit gekannt hatten. Sie antworteten, daß vor dem Kriege stets der T. a., hauptsächlich zur Herbstzeit, geherrscht habe, daß in ihrer Gegend keine großen Übungen, geschweige denn Manöver der Reimser Garnison stattgefunden hätten. Für diese Angaben habe ich keine Belege im französischen Schrifttum über den endemischen T. a. an der Aisne finden können mit Ausnahme eines Hinweises in der sehr beachtlichen Arbeit von Brouardel, der in diesem Notschrei über den T. a. in den französischen Garnisonstädten (1872–1884) aufschlußreiche Ziffern gibt. Auch unser Kriegssanitätsbericht weist auf einen französischen Ort hin, der schon in Friedenszeiten als T. a.-Ort von Einquartierung verschont blieb. Sei dem nun, wie ihm wolle, so blieb bei uns der Eindruck, daß unsauberes Wasser, Ansteckung durch die französische Zivilbevölkerung und die Entbehrungen des Vormarsches bis zum beginnenden Stellungskrieg allein die Schuld am Ausbruch der Seuche haben, Gründe, die wir in Schulung und Lehre der Hygiene gelernt hatten. Dieser Eindruck über die Hauptrolle des Wassers war bei uns vorherrschend, auch als wir bei Typhusausbrüchen in Kleinasien in angeschuldigtem oder verdächtigtem Wasser niemals Typhuskeime nachweisen konnten.
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