Status vasoneuroticus

Zusammenfassung

Status vasoneuroticus, so möchten wir, in Anlehnung an Otfried Müller, den von ihm als vasoneurotische Diathese bezeichneten, konstitutionsbedingten Zustand nennen, dessen Wesen durch den spastisch-atonischen Symptomenkomplex charakterisiert wird. Wir wiesen schon im Einleitungskapitel darauf hin, daß engste Beziehungen zwischen dem vegetativen Nervensystem und den Gefäßen vorhanden sind. Daß sich das auch bei organischen oder funktionellen Störungen jenes Nervensystems an der Haut entsprechend auswirken muß, ist naheliegend. Seitdem wir aber wissen, daß in den sog. Axonreflexen (Bruce, Bardy, Krogh) auch verhältnismäßig streng lokalbegrenzte Kontraktionszustände an den Capillaren vorkommen, ist immerhin nicht ausgeschlossen, daß auch gewisse Krankheitszustände in relativer Unabhängigkeit von den bekannten Nervensystemen vorkommen mögen. Wir erwähnen dies nur, um verständlich zu machen, weshalb wir die durch den spastisch-atonischen Symptomenkomplex bedingten Affektionen nicht ohne weiteres unter die durch Störungen im vegetativen Nervensystem bedingten einreihen mögen. Wir stehen bei allen diesen Dingen noch am Anfange der Erkenntnis und können vorerst nur andeutend auf die unendliche Kompliziertheit hinweisen, die noch wesentlich dadurch vermehrt wird, daß vielleicht neben der somatischen, auch die psychische Struktur oder Konstitution (Bauer, Gaupp, Kretschmer) eine bedeutende Rolle spielt. Bekannt ist ja, daß gewisse Menschen eine erhöhte Erregbarkeit ihrer Vasomotoren aufweisen, sei es auf psychische Alterationen hin (Erythema pudicitiae), sei es auf lokale Irritationen der Haut hin (Dermographismus, Urticaria factitia).