Zusammenfassung
Die Pathologie, die „Leidenslehre“, umfaßt die ganze Lehre vom „Krankhaften“ im allgemeinen. Wir können zwei Gruppen unterscheiden, krankhafte Vorgänge und krankhafte Zustände. Zu ersteren gehören die Krankheiten. Es sind dies Vorgänge, bei welchen ein lebendes System in einer oder mehreren Lebensäußerungen so verändert ist, daß eine Funktionsstörung mit Gefährdung der Fortdauer des Organismus erfolgt. Die Gefahr für den Gesamtkörper gehört zu dem Begriff der „Krankheit“ hinzu, denn Funktionsausfall kann auch schon im normal-physiologischen Leben vor sich gehen ohne irgendeine „Krankheit“ darzustellen, z. B. die physiologische Rückbildung des Thymus. Und ebenso ist damit gesagt, daß die Funktionsstörungen ein die Funktionsschwankungsbreite überschreitendes Maß darbieten und eine gewisse längere Dauer haben müssen. Das normal-physiologische Leben, d. h. das biologische Bestehen eines Organismus, wird dadurch gesichert, daß er sich durch Selbstregelungen dem Wechsel der äußeren Lebensbedingungen genügend anpassen kann. Können sich die Regulationsmechanismen nicht genügend anpassen, so daß sich Störungen, welche das biologische Dasein gefährden, ergeben, so sind dies eben „Krankheiten“. Es liegt hier also auch ein Weiterleben vor, aber ein solches unter veränderten Bedingungen. Die Lebensvorgänge unterscheiden sich mengenmäßig von den normalphysiologischen, oder es finden solche an falschem Ort oder zu falscher Zeit — „anachronistisch“ — statt. Man kann auch kurz sagen, daß es sich bei der Krankheit um einen Vorgang handelt, bei dem eine „Störung des vitalen Gleichgewichts“ besteht. Dieser Vorgang kann entweder auf den Ausgangspunkt zurückkehren (Heilung), oder wenigstens zu einem dem ursprünglichen Zustand ähnlichen zurückführen (unvollständige Heilung), oder aber er bleibt, nachdem er eine gewisse Höhe erreicht hat, ungefähr, oder doch mit geringen Schwankungen, auf dieser stehen (chronische Krankheit), oder endlich er führt zu einer so hochgradigen Funktionsstörung des Gesamtkörpers, daß der Tod eintritt. Die Lehre von den Krankheiten wird als Nosologie bezeichnet.
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© 1932 J. F. Bergmann, München
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Herxheimer, G. (1932). Einleitung. (Allgemeine Pathologie der Zelle.). In: Grundriss der Pathologischen Anatomie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-91695-3_1
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