Das leitende Element

Zusammenfassung

Die Frage nach dem leitenden Element des Nervengewebes ist eine der meist umstrittenen Fragen der Histologie und der allgemeinen Physiologie. Sie ist bis heute nicht gelöst, und kann auch in der Form, wie sie ursprünglich gestellt war, exakterweise kaum gelöst werden. Sie stammt aus einer Forschungsepoche, welche die elementaren Lebensfunktionen der Zellen und Gewebe an bestimmte Strukturen geknüpft hat und die Lebenserscheinungen bzw. die Leistungen der Zellen und Gewebe aus dem Zusammenspiel der einzelnen Zellorganellen zu erklären suchte. Heute, wo man den Verlauf der Lebenserscheinungen sowohl in den elementaren Lebewesen wie in den mehrzelligen Organismen eher als eine koordinierte Systemfunktion auffaßt und sie als die Leistung von Ganzheiten zu betrachten beginnt, wo man die Dynamik der Lebenserscheinungen auf physikalisch-chemische und stoffwechselchemische Vorgänge zurückzuführen bestrebt ist, erscheint diese rein strukturanalytische Richtung, welche Fibrillen, Körnchen und ähnliche mikroskopisch sichtbare Formgebilde der Zellen für bestimmte Funktionen verantwortlich gemacht hat, kaum mehr geeignet, eine fruchtbare Arbeitshypothese weiterer Forschungen und eine befriedigende Lösung für die Grundprobleme der Cytobiologie zu bieten Die in den Zellen und Geweben sichtbaren elementaren Strukturen werden also immer mehr als rein morphologische Gebilde betrachtet, die nur den Ort einzelner in der Zelle sich abspielenden Funktionen anzeigen. Über die Natur der an ihnen oder durch sie vermittelten Energie Wirkungen können sie nichts verraten. Wenn wir also eine Charakterisierung und Definition des leitenden Elementes hier vornehmen, so muß zunächst hervorgehoben werden, daß diese Charakterisierung in erster Linie eine morphologische sein wird. Es wird in dem folgenden die Neurofibrillenstruktur des Nervengewebes behandelt, und wenn diese Struktur als leitendes Element bezeichnet wird, so geschieht es vor allem aus historischen Gründen, da ST. V. APáTHY, dem wir die ersten genauen Kenntnisse über diese Strukturen verdanken, sie so bezeichnet hat². Wieweit sie auch heute noch als die funktionellen Strukturelemente der Reizleitung anzusprechen sind, wird im Laufe der Ausführungen noch eingehender zu erörtern sein. In erster Linie sollen jedoch hier ihre morphologischen Merkmale, ihre Histogenese und ihr Verhalten bei der Degeneration und Regeneration behandelt werden.