Zusammenfassung
Die Durchsicht der Literatur legt die dogmatische Auffassung der im klinischen Ausdrucke so vielgestaltigen Hysterie als einer Vorstellungskrankheit klar zutage. Den affektbetonten Vorstellungen wird für die Genese hystero- pathischer Phänomene eine dominierende Rolle zugemessen. Überblickt man das Wesen der Hysterie von diesem Standpunkte aus, so wird man sich beim Vorhalte bestimmter anerkannter ätiologischer Momente (infektiöse, toxische, traumatische Einflüsse) der Schwierigkeiten bewußt, den inneren Kausalzusammenhang zu konstruieren und aufrecht zu erhalten. Bei solchen ätiologischen Einflüssen ist die Annahme materieller Schädigungen für die Genese wohl eher verständlich — weil naturgemäßer — als die psychischer Vorgänge. Es soll hier daran erinnert werden, daß man toxische Hysterien beschrieb, Binswanger1), Köster2) u. a. — So handelt es sich im Falle Binswangers um eine durch metallische Gifte erzeugte toxische Hysterie. Man hat dann wiederholt versucht, zwischen der toxisch-infektiösen Hysterie und den symptomatologisch identischen oder ähnlichen Intoxikationszuständen des Nervensystems materieller Art eine Brücke zu schlagen, z. B. Kösters Schwefelkohlenstoff-Intoxikationen. Immerhin fällt es schwer, bei einer klinisch festgestellten Hysterie mit z. B. präexistenter Lues, ferner bei Vergiftungen, nach mechanischen Schädigungen etc., das Vorhandensein materieller Veränderungen bezüglich ihrer Pathogenese zugunsten psychogener Momente, z. B. Autosuggestion etc., zurückzustellen oder gar abzulehnen. Die Durchforschung der posttraumatischen Veränderungen im Zentralnervensysteme hat verheißungsvolle Resultate zutage gefördert und die traumatische Gehirnerkrankung in ein ganz neues Licht gestellt. Wir wissen nun auch, wie Hartmann) zuerst ausgeführt hat, daß das Entstehen der nach traumatischen Läsionen des Zentralnervensystems auftretenden Krankheitsbilder in der Weise zu denken ist, daß die Gruppierung von krankhaft veränderten Funktionen durch den morphologischen Aufbau und die physiologische Zusummenhangsform der Organteile wesentlich mitbestimmt wird.
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Di Gaspero, H. (1912). Bemerkungen über die Pathogenese hysterischer, insbesondere traumatogener Lähmungen. In: Hysterische Lähmungen. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 3. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-90759-3_9
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