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Physiokraten und Klassiker: systematische Wissenschaft

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Geschichte der Volkswirtschaftslehre

Part of the book series: Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft ((ENZYKLOP.STAAT,volume 66a))

  • 35 Accesses

Zusammenfassung

Bedürfte es eines Beweises für die Zeitgemäßheit einer Verbindung von naturrechtlicher Philosophie und ökonomischer Analyse, so wäre die Entstehung der Physiokratie ein schlagender Beleg. François Quesnay (1694–1774), der Gründer, beginnt mit der Beobachtung der wirtschaftlichen Tatsachen — sein wissenschaftliches Hauptwerk, das „Tableau économique“ ist zunächst nichts anderes als die Darstellung des wirtschaftlichen Kreislaufes, ohne philosophischen oder politischen Hintersinn; erst sieben Jahre später (1765) gibt sein „Droit naturel“ der wirtschaftlichen Analyse die philosophische Begründung1… Aber freilich, Quesnay war zuerst als Mitarbeiter an der großen Bibel des philosophischen Materialismus, an der Enzyklopädie von Diderot und dAlembert hervorgetreten, und so entspricht es nur seiner tatsächlichen geistigen Stellung, wenn von Anbeginn an das Tableau als Ausfluß des naturrechtlichen Denkens aufgefaßt wird und wenn die beiden Schüler, die am stärksten zur Verbreitung der Lehre des „Meisters“ beigetragen haben, Le Mercier 2 (1720–1793) und Dupont De Nemours (1739–1817) noch zu seinen Lebzeiten an die Stelle von Analyse und Induktion die Deduktion setzen, aus den Prämissen von Naturordnung und Naturrecht das Wirtschaftsbild ableiten. Wie hier so ist in allem das Leben Quesnays und seiner Schüler zugleich bezeichnend für die zeitliche Lage und bestimmend für die bleibende Form: auf dem Lande aufwachsend, hat Quesnay die innere Verknüpfung und äußere Verbindung zur Erde wieder, die der Mehrzahl der Merkantilisten fehlte (in Frankreich mit einziger Ausnahme von Sully, an den Quesnay darum auch anzuknüpfen vorgibt); als Mediziner ausgebildet, beherrscht er die wissenschaftlichen Mittel der exakten Forschung und ist erzogen im Geist jener modernen, durch Newton begründeten Auffassung der Naturwissenschaft, die als ihre Aufgabe die Auflösung der Wirklichkeit in einen „kausalen“ Zusammenhang von Ursache und Wirkung betrachtet und an die Stelle des alten Glaubens an göttliche oder im alten Sinn „natürliche“3, d. h. gewachsene, dem „Experiment“ entzogene Fügung den neuen Glauben setzt an die von ihr entdeckte, ursächliche Verbindung, die sie Naturgesetz benennt; als Arzt der Pompadour lebt er in einer politischen Sphäre, die ihn die angeborene Dunkelheit des eigenen Ausdrucks durch die kühne Geste und das freie Wort der Schüler zu ergänzen mahnt. Und vor allem eignet ihm jener persönliche Zauber und jene persönliche Verschlossenheit, die, gepaart mit Geradlinigkeit und Schwung des Gedankens, noch immer in Frankreich die Hingabe der Schüler und den Erfolg in der Öffentlichkeit sicherten.

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© 1929 Verlag von Julius Springer · Berlin

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Salin, E. (1929). Physiokraten und Klassiker: systematische Wissenschaft. In: Geschichte der Volkswirtschaftslehre. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, vol 66a. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-90720-3_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-90720-3_5

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

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