Zusammenfassung
Das vorhergehende Kapitel handelte davon, wie ein Virusteilchen die Zelle, die es infiziert, dazu bringt, sich für die Herstellung neuer, ihm genau gleichender Teilchen zur Verfügung zu stellen. Kommt es tatsächlich dazu, dann kann man von einem „normalen“ Ablauf des Vermehrungszyklus sprechen, weil nichts hinzutritt, was diese an sich schon genügend komplizierte und unübersichtliche Angelegenheit noch mehr kompliziert. Aus eingehenden Betrachtungen experimenteller Befunde wurde der Schluß gezogen, daß die Erbgleichheit zwischen einem Elternteilchen und seinen Nachkommen garantiert wird durch den spezifischen Feinbau einer einzigen chemischen Substanz, die die Zelle vom infizierenden Virusteilchen unbedingt intakt übernehmen muß. In der Feinstruktur dieser Substanz drückt sich alles aus, was die korrekte Herstellung neuer Teilchen garantiert. Dadurch daß auch alle neugemachten Teilchen wieder mit dieser Substanz ausgerüstet werden, können sie künftig dasselbe tun wie ihr elterlicher Vorfahre, d. h. mit Hilfe von Zellen Nachkommen haben, die ihnen gleichen. Es muß also in jeder Vermehrungsrunde ebensoviel mehr von dieser Substanz gemacht werden, wie neue Teilchen entstehen sollen, und jede neugemachte „Einheit“ davon muß stets wieder die gleiche Feinstruktur haben wie jene, die als Modell diente und die Vermehrungsrunde startete. Die erbliche Kontinuität beruht somit im Grunde auf einer materiellen Kontinuität mit der Einschränkung, daß es eigentlich eine bestimmte, materiegebundene Struktur ist, die von Generation zu Generation unverändert weitergegeben wird. Wir wissen, zu welcher chemischen Körperklasse die Materie gehört, deren konstruktive Gesetzlichkeiten biegsam genug sind, um eine beliebige „Erbmasse“ konkret darstellen zu können: sie heißt mit ihrem Sammelnamen „Nucleinsäure“, und die zu bewahrende Struktur ist einfach in der speziellen Sequenz ihrer Nucleotidbausteine gegeben.
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© 1964 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
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Weidel, W. (1964). Das Liebesleben der Viren. In: Virus und Molekularbiologie. Heidelberger Taschenbücher, vol 3. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-88651-5_5
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