Zusammenfassung
Der unverkennbare Einbruch der Psychologie in die bis heute noch fast ausschließlich dem medizinischen Sachverständigen obliegenden Aufgaben bei der Feststellung der Voraussetzungen zur Anwendung des § 51 StGB, hat sich in den anderthalb Jahrzehnten seit Ende des zweiten Weltkrieges mit bemerkenswerter Schnelligkeit und Zielstrebigkeit vollzogen. Die diesem Prozeß mutmaßlich zugrundeliegenden geistigen Kräfte sind in den Umrissen bereits erkennbar: man will die individuell-persönlichen, einmaligen und unvertauschbaren Züge im Wesen eines Täters wieder stärker berücksichtigen, nachdem in den Jahren der mehr und mehr willkürlichen Handhabung des Rechtes (1933 bis 1945) die Tat und die mit ihr verbundene Schädigung des „Ganzen“ (der „Volksgemeinschaft“) sehr hoch und oft wohl zu hoch bewertet wurde. Darüberhinaus glaubte man, nunmehr nachholen zu sollen, was vor allem in der westlichen Welt, wohin sich viele der in Deutschland nach 1933 geächteten Wissenchaftler gewendet hatten, an forensisch orientierter, psychologischer und analytischer Forschung geleistet worden war. Die Anwendung dieser Forschungsergebnisse auf die kriminalpolitische Praxis soll nun auch in Deutschland stärker berücksichtigt werden. Da die vorwiegend von Sigmund Freud und seinen Schülern erarbeiteten Einsichten in die Hintergründe abnormen menschlichen Verhaltens aus unsachlichen Gründen in unserem Lande jahrzehntelang nahezu verpönt waren, meint man jetzt, nach Fortfall dieser Hemmungen, Psychologie und Tiefenpsychologie sogar auf dem Gebiet der Schuldausschließung bemühen zu müssen, Bereiche, die unserer Auffassung nach nicht legitimes Forschungsfeld dieser Wissenschaften sein sollten, so unbestreitbar der Einfluß unbewußter Triebansprüche auf menschliches Handeln schlechthin und somit auch auf kriminelles Verhalten sein mag.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Bauer, Fr.: Das Verbrechen und die Gesellschaft. München-Basel 1957 (S. 181 ff.).
de Boor, W.: Neuere Arbeiten über Psychologie und Psychopathologie des Selbstmordes und der Selbstbeschädigungen. Fortschr. Neur. 17, 483 (1949).
de Boor, W.: Das Opfermotiv in der Psychose. Der Nervenarzt 20, 385 (1949).
de Boor, W.: Zur Psychologie und Psychopathologie der Brandstiftung (1917–1955). Fortschr. Neur. 23, 367 (1955).
Bresser, P.P.: Der Psychologe und § 51 StGB. Neue Jur. Wschr. 1958, S. 248.
Carpzow, B.: Practica nova Imperialis Saxonica rerum criminalium. 1635. Zit. nach A. Brehm in Psychiatr. neur. Wschr. 1941, S. 251.
Freud, S.: Über Psychotherapie. Ggs. Werke, V.Band, London 1949.
Göppinger, H.: Die geistige Störung im Sinne des §44 Ehegesetz. Neue Jur. Wschr. 1957, S.44.
Mezger, E.: Persönlichkeit und strafrechtliche Zurechnung. In: Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens. Band 124. München 1926.
Undeutsch, U.: Zurechnungsfähigkeit bei Bewußtseinsstörung. In: Lehrbuch der Gerichtlichen Medizin. 2. Aufl. Stuttgart 1957.
Virchow, R.: Diskussionsbemerkung zum Vortrag Liman. Berl. Klin. Wschr. 1884, S. 122.
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1959 Springer-Verlag OHG. Berlin · Göttingen · Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
De Boor, W. (1959). Forensische Psychologie und § 51 StGB. In: Über Motivisch Unklare Delikte. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-88546-4_10
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-88546-4_10
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-540-02369-2
Online ISBN: 978-3-642-88546-4
eBook Packages: Springer Book Archive