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Geschichte und Diskussion des Begriffs Autismus

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Über den Autismus

Part of the book series: Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie ((MONOGRAPHIEN,volume 104))

  • 60 Accesses

Zusammenfassung

Lange vor Eugen Bleuler sprachen große französische Psychologen wie Janet, Pelletier u. a. von der „perte de la fonction du réel“, der „perte du sens de la réalité“, die sie bei ihren Kranken beobachten konnten. Mit diesen Bezeichnungen, meinte Bleuler, wurde von der negativen Seite her ein ähnlicher Sachverhalt ins Auge gefaßt, wie er ihn positiv als „Loslösung von der Wirklichkeit, zusammen mit dem relativen oder absoluten Überwiegen des Binnenlebens“ im Autismus verstanden haben wollte. Er fand die Ausdrücke der Franzosen — die Minkowski später aufgriff und ohne weiteres dem Autismus gleichsetzte — zu allgemein gehalten. Der Wirklichkeitssinn fehle dem Schizophrenen nicht gänzlich, sondern versage nur für diejenigen Dinge, die sich in Widerspruch zu seinen Komplexen stellen:

„Die autistische Welt ist für die Kranken ebenso gut Wirklichkeit wie die reale, wenn auch manchmal eine andere Art Wirklichkeit. Oft können sie beide Arten von Wirklichkeit nicht auseinanderhalten, sogar wenn sie im Prinzip unterscheiden. Der Wirklichkeitswert der autistischen Welt kann auch ein größerer sein als der der Realität, die Kranken halten dann ihre Phantasien für das Reale, die Wirklichkeit für etwas Vorgetäuschtes. Vollständiger Abschluß gegen die Außenwelt nur in den höchsten Graden von Stupor.“

„Den Inhalt des autistischen Denkens bilden Wünsche und Befürchtungen. Das autistische Denken hat seine besonderen Gesetze: Der Autismus benützt allerdings die gewöhnlichen logischen Zusammenhänge, soweit es ihm paßt, ist aber durchaus nicht daran gebunden. Er wird von affektiven Bedingungen dirigiert. Daneben denkt er in Symbolen, in Analogien, in unvollständigen Begriffen, in zufälligen Verbindungen. Wir haben also ein realistisches und ein autistisches Denken zu unterscheiden, und zwar beim gleichen Patienten nebeneinander. Der Autismus ist eine direkte Folge der schizophrenen Spaltung der Psyche. Der Gesunde hat die Tendenz, bei logischen Operationen alles hinzugehörige Material ohne Rücksicht auf dessen affektive Wertigkeit herbeizuziehen. Bei der schizophrenen Lockerung der Logik dagegen findet ein Ausschluß aller einem gefühlsbetonten Komplex widerstrebender Assoziationen statt. So bleibt der autistische Gedankeninhalt unkorrigierbar und bekommt für den Kranken vollen Realitätswert, während der subjektive Realitätswert der Wirklichkeit auf Null herabsinken kann.“

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© 1964 Springer-Verlag Berlin · Göttingen · Heidelberg

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Schneider, H. (1964). Geschichte und Diskussion des Begriffs Autismus. In: Über den Autismus. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 104. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-88541-9_2

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  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

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