Zusammenfassung
Wenn wir hier von Paradoxien sprechen, so meinen wir eine psychische Eigentümlichkeit, die von der uns vertrauten Psycho-logik abweicht, ihr wider-spricht und geradezu entgegengesetzt ist. So beruht z. B. das Verstehen fremd-seelischer Eigenart auf der stillschweigenden Voraussetzung feststehender Motivationen. Wir wissen aus der Erfahrung, daß in der Regel der Mißerfolg mit Ärger, der Erfolg mit Freude, eine Wohltat mit Dankbarkeit beantwortet werden. Über die Erfahrung hinaus leuchten uns diese Zusammenhänge auch unmittelbar ein, so daß man von einem Motivationspriori sprechen könnte. Wie sich das Denken auf einer Reihe intellektueller Syllogismen aufbaut, so das fremdseelische Verstehen auf einer Reihe motivologischer Syllogismen. Nun gibt es, worauf vor allem die Psychoanalytiker und Kulturanthropologen hingewiesen haben, innerhalb der neurotischen Persönlichkeit und in uns weniger vertrauten — von uns epochal-kulturell oder sozial-kulturell unter-schiedenen — Gemeinschaften eine ganze Anzahl von Abweichungen. Der Auf-weis dieser Widersprüche hat unser Wissen erweitert und vertieft und uns die außerordentliche Vielgestaltigkeit seelischen Seins sichtbar werden lassen.
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Literatur
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© 1958 Johann Ambrosius Barth, München
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Lückert, HR. (1958). Die Drei Paradoxien und das Strukturmodell des Gewissens. In: Däumling, A. (eds) Seelenleben und Menschenbild. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-88155-8_7
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