Zusammenfassung
Alltägliche Beobachtung am Kranken stellt den Arzt immer wieder vor einige Grundphänomene des Krankheitsgeschehens, die zunächst in ihrer Formulierung fast selbstverständlich, ja trivial klingen, die indes beim Versuch ihrer Aufklärung oder Deutung sehr rasch in die ganze Problematik der Wissenschaft vom Leben führen. Immer wieder wird der Arzt auf die ungeheure Variabilität alles Organischen geführt. Sie begegnet ihm in erster Linie in dem Erlebnis des verschiedenartigen Reagierens verschiedener Menschen unter gleichen äußeren Umständen: der eine erkrankt schwer, ein zweiter leicht, ein dritter überhaupt nicht. Dies ärztliche Alltagserlebnis zwang schon die älteste Heilkunde zu der Vorstellung, daß unterschiedliches Reagieren auf gleiche Schäden nur im Innern des Körpers verankert sein könne, in gewissem Sinne auf einen ihm innewohnenden Wesenskern, auf ein Mosaik, eine „Zusammenstellung“ innerer Eigenschaften, kurz und wörtlich auf eine bestimmte „Konstitution“ des Organismus rückführbar sein müsse. Um die Erkennung und Aufklärung ihres Wesens geht das Bemühen. Wenn in dieses Streben die moderne biologische Forschung über Erbe und Umwelt Eingang fand, wie gleich noch zu besprechen sein wird, so begegnet sich auch dies unmittelbar mit weiteren ärztlichen Erlebnissen: daß die Variabilität gewisser, auch krankhafter Erscheinungen unter Blutsverwandten abnimmt, nicht selten sogar in gewisse Verlaufsähnlichkeiten des Krankheitsgeschehens übergeht, daß also Erbeinflüsse unmittelbar in das Erkranken hereinspielen; daß andererseits nicht selten ein örtlich und zeitlich gehäuftes gleichartiges Verhalten, speziell Erkranken zahlreicher, ja vieler Menschen allein auf eine gemeinsame äußere Krankheitsursache, also einen Umwelteinfluß zurückgeführt werden müsse.
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de Rudder, B. (1957). Krankheitsbereitschaft, Krankheitsgefährdung und Lebensbedrohung im Kindesalter. In: Bennholdt-Thomsen, C., et al. Pädiatrie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-87765-0_4
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