Zusammenfassung
Es ist ein eigenartiges psychologisches Gesetz, das sich in Politik und Kunst ebenso wie auch in der Behandlung wissenschaftlicher Fragen immer wieder aufs neue störend bemerkbar macht, daß es nämlich vielen Menschen, besonders unter dem Eindruck neu auftauchender Gesichtspunkte, unmöglich ist, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß alles Sein und Geschehen eine polare Anordnung zeigt. Mit dem Auftauchen der Bakteriologie schien die Konstitutionslehre erledigt : Die „Ursachen“ der wichtigsten Krankheiten waren in den zahlreichen, scharf definierten Mikroorganismen gefunden, und es schien überflüssig, daneben noch die dunklen Begriffe der Konstitution und Disposition zu verwenden. Es war die Zeit, in der Cohnheim den Ausspruch tat : „Tuberkulös wird jeder, in dessen. Körper sich das tuberkulöse Virus etabliert“, derselbe Autor, in dessen berühmter „allgemeiner Pathologie“ das Wort Konstitution überhaupt nicht erwähnt wird. Andere Forscher, wie Baumgarten und Behring, haben sich gleichsinnig geäußert. Demgegenüber erhob R. Virchow 1880 seine Stimme, um den einseitigen „Infektionisten“ den Kampf anzusagen. Das Verdienst, am planmäßigsten und deshalb erfolgreichsten gegen den kritiklosen „Bakteriologismus“ Front gemacht und den Ausbau einer modernen Konstitutionslehre gefördert zu haben, gebührt aber Rosenbach, Hueppe, Gottstein und F. Martius.
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Referenzen
Vgl. auch R. Rössle: Rudolf Virchow und die Konstitutionspathologie. Münch. med. Wschr. 1921.
Glatzel: Im Handbuch der inneren Medizin, 3. Aufl., Bd. VI/R, S. 514 und 613–615.
Virchows Arch. 6 (1854).
Es ist demnach schwer verständlich, wenn Klare in einem programmatischen Aufruf sagte : „Weder das Tierexperiment noch die klinische Forschung können ihn (den Zweig der Konstitutionsforschung, der sich mit der Beziehung Konstitution/Krankheit beschäftigt. Ref.) befruchten. Einzig der praktische Arzt kann uns hier weiterhelfen.“ (Dtsch. med. Wschr. 1943 I, 281. — Vgl. hierzu auch unsere späteren Bemerkungen auf S. 302.) Zur Bedeutung des Experiments für die Konstitutionsforschung seien hier unter vielen anderen Beispielen nur die wertvollen langjährigen Versuchsreihen Kisskalts zur exakten Bestimmung des Dispositionsbegriffes, Landauers Forschungen über das Krüpergen — sie sind grundlegend für die Frage der multiplen Abartungen — oder Nachtsheims Untersuchungen über vergleichende experimentelle Vererbungs- und Konstitutionspathologie der Warmblüter erwähnt. Wollte man als Gegenbeweis der Klareschen Behauptung alle Beiträge nennen, die die klinische Forschung zur Konstitutionslehre beigesteuert hat, so würde das viel zu weit führen. Ich nenne nur einige markante Namen: W. Albrecht, J. Bauer, K. H. Bauer, Biedl, Bleuler, Brauer, Brugsch, Charcot, Dawidenkonw, Do Xiades, H. Eckhardt, Franceschetti, W. A. Freund, Griesinger, H. Günther, Hanhart, His, Hufeland, E. Kahn, Kehrer, Kraepelin, F. Kraus, Krehl, Kretschmer, Kühne. J. Lange, Martius, P. Mathes, Moebius, Morawitz, Moro, Panse, V. Pfaundler, O. Rosenbach, J. H. Schultz, Siemens, T. Sjögren, B. Sjövall, Stiller, Von Den Velden, Weitz, Wieland, C. A. Wunderlich.
Ich verweise z. B. auf mein Referat in der Dtsch. med. Wschr. 1940 Ii, 1433.
Vgl. dazu Just sowie Kroh: Handbuch der Erbbiologie, Bd. V/1. Berlin 1939.
Es ist deshalb überraschend, wenn G. Kloos noch 1951 den Tandlerschen genotypischen Konstitutionsbegriff als maßgebend bezeichnet. Daß dem Autor das neuere Schrifttum nicht bekannt sein dürfte, ergibt sich auch aus seiner Behauptung, der Konstitutionsbegriff sei „immer eine mehr oder weniger subjektive Schöpfung` und habe „oft nur vergängliche Geltung“. Die Physiognomik halt Kloos für den „wichtigsten Teil . . . der wissenschaftlichen Konstitutionslehree“ Auf welchen logisch-begrifflichen Grundlagen Kloos selbst aufbaut, zeigt seine Unterscheidung einer „erbbiologischen“, „medizinischen“ und „physio gnomischen Richtung“ der Konstitutionsforschung. Die Unhaltbarkeit dieser Unterscheidung liegt klar zutage.
Nach den Untersuchungen Weidenreichs und anderer Autoren (vgl. H. Moritz1947, S. 22) bestehen zwischen Leptosomen und Pyknikern keine verwertbaren Häufigkeitsunterschiede von Haut- und Haarfarbe.
Interessante Angaben iüber die rassisch kompliziert zusammengesetzten Aberdeen Rinder stammen von Kronacher. Zit. bei Hildebrandt.
Einen guten Überblick über die Geschichte der biologischen Ganzheitslehre gibt ARM. Müller: Das Individualitätsproblem und die Subordination der Organe.
Zur Erblichkeit des Psychischen vgl. S. 271.
Vgl. hierzu S. 289.
Vgl. auch die eingehenden Darstellungen von R. Michels über den „Einfluß des Milieus auf die Person“ (1929) und F. Giese über „die kosmischen Einflüsse auf die Person“ (1929); ferner Herm. Weber: „Der gegenwärtige Stand der deutschen ökologischen Forschung“ Forsch. u. Fortschr. 1942, Nr 13/14.
Brugger: Handbuch der Erbbiologie, Bd. V/2, S. 706/707.
Einen neuen instruktiven Beitrag zu dieser Frage veröffentlichte kürzlich mein Mitarbeiter W. Kärst (Ärztl. Wschr. 1952, 747).
Sämtliche Autoren zit. nach Berning (1949).
Die Mitwirkung von Flucht und Wechsel im Berufsleben rechtfertigen die Einordnung des Falles an dieser Stelle.
Bekanntlich soll dieser charakterologische Typus bei chronisch obstipierten Männern häufig gefunden werden.
Für Anfertigung der Photos bin ich Frau Brigitte Koch, Fräulein Christa Hensel sowie Fräulein Charlotte Teik Zu herzlichem Dank verpflichtet, desgleichen Herrn Dr. H. Feiereis für wertvolle Hilfeleistung.
Die Augenbefunde verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Herrn Prof. Dr. Vogelsang, Berlin.
Die otologischen Befunde verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Herrn Prof. Dr. Barth, früher HNO-Klinik der Charité.
Eine eingehende Erörterung derartiger Fälle infantiler A- bzw. Hypothyreose, ferner des endemischen Kretinismus findet sich in der auch das ganze Schrifttum erschöpfenden Monographie von E. Wieland (1940).
Eine halluzinatorische Psychose bei erblichem M. Paget beschrieben neuerdings Aschner, Hurst und Roizin. Weitere einschlägige Mitteilungen in dem Übersichtsreferat von Stemmermann (1952).
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Curtius, F. (1954). Geschichtliche und begriffliche Grundlagen. In: Klinische Konstitutionslehre. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-87192-4_1
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