Zusammenfassung
Eine philosophische Betrachtung des Rechts, die dies als Schöpfung des Volkes, d. h. seiner Bürger, auffaßt, die durch die Schaffung einer Verfassung sich in den Stand setzen, die Beziehungen und Verhältnisse unter sich als eine Rechtsgemeinschaft zu entwickeln, stößt auf sehr entscheidende Schwierigkeiten an dem Punkte, wo sich die Beziehungen dieser Rechtsgemeinschaften untereinander als ein Rechtsproblem stellen. Man hat daher sowohl aus philosophischem Bedenken wie aus praktischem Verdruß dem Völkerrecht die Eigenschaft, wirkliches Recht zu sein, absprechen wollen. Denn da das Völkerrecht nicht auf einer Verfassung beruhe, so könne es auch nicht wirkliches Recht sein. Man hat andrerseits hieraus wiederum den Schluß gezogen, daß nur die Schaffung einer Verfassungsordnung für die gesamte Welt dafür sorgen könne, daß auch in den Beziehungen zwischen den Völkern das Recht an die Stelle der Willkür und Gewalt trete. Aber so sehr der letztere Gedanke auch der Verfolgung wert ist — und seine konsequenteste philosophische Entwicklung hat er, durchaus sinnvollerweise, von Immanuel Kant erhalten, für den er klar aus seiner Rechtsphilosophie erwächst —, so scheint es dennoch möglich, dem Völkerrecht auch vor der Errichtung einer solchen Weltverfassungsordnung die Eigenschaft eines wirklichen Rechts zuzusprechen, unter einer Bedingung. Diese Bedingung ist, daß eine hinreichend große Zahl von Völkern, die dies Recht schaffen, ihrerseits unter einer wirklichen Verfassungsordnung lebt. Mit Kant ist der Rechtscharakter des Völkerrechts zu seiner Zeit abzulehnen, und seine scharfe Kritik von Grotius und anderen als „leidige Tröster“ (Zum Ewigen Frieden, 1795) besteht zu Recht. Ebenso würde das Völkerrecht aufhören, wirkliches Recht zu sein, wenn die meisten Völker auf totalitärer Basis lebten; schon heute ist es von daher in seinem Rechtscharakter bedroht.
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Friedrich, C.J. (1955). Friede als Weltrechtsordnung. In: Die Philosophie des Rechts in Historischer Perspektive. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-86332-5_24
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