Zusammenfassung
Unter den Schriften des Neuen Testaments nimmt ein Buch eine Sonderstellung ein, die oft nicht genügend beachtet wird: Es ist die Apostelgeschichte, die von der Tradition auf Lukas, den Verfasser des 3. Evangeliums, zurückgeführt wird; diese Tradition hat einiges gegen sich, aber weit mehr für sich — so daß wir den Autor mit diesem Namen Lukas benennen dürfen. Beide Schriften, Evangelium wie Apostelgeschichte, beginnt Lukas mit einer literarischen Widmung an einen gewissen, offenbar vornehmen Theophilus; beide Male ist nicht nur die Tatsache der Widmung als Anzeichen bewußten schriftstellerischen Willens zu buchen, sondern auch der Stil dieser Dedikationen; Wortwahl und Satzbau des Evangeliums-Anfangs verrät den gebildeten Autor; der Wortlaut dieser Widmung verrät aber keineswegs den Christen, sondern klingt wie die Vorrede zu einem profanen Buch. Mit der Apostelgeschichte steht es insofern etwas anders, als ihre Vorrede wenigstens den Namen Jesus nennt.
„Den ersten Bericht, lieber Theophilus, habe ich über alles das erstattet, was Jesus zu tun und zu lehren begann bis zu dem Tag, da er aufgenommen wurde ...“,
aber dieser Hinweis auf das vorangegangene Buch, das Evangelium, entspricht durchaus literarischen Gepflogenheiten. Und wenn auch der Fortgang des Textes uns insofern enttäuscht, als Lukas aus dieser Anrede an Theophilus gleich in die Erzählung übergeht, so erweist sich doch der Bericht dieses ersten Kapitels als bewußt gestaltet, zusammengefügt aus einer vielleicht schon älteren Erzählung von Jesu Himmelfahrt, einer Liste der 12 Jünger und einem Bericht über eine Gemeindeversammlung, der mit einer Rede des Petrus ausgestattet ist. Und schon bei diesem Stück gewinnt man den Eindruck, der sich nun das ganze Buch hindurch immer wieder bestätigt: Daß es in der Apostelgeschichte Darstellungen gibt, die in keinem Evangelium möglich wären. Es besteht also ein wesentlicher Unterschied in der literarischen Art der Evangelien einerseits und der Apostelgeschichte andererseits — er besteht, obwohl der Evangelist Lukas auch der Verfasser der Apostelgeschichte ist.
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Dibelius, M. (1948). Der erste christliche Historiker. In: v. Campenhausen, H.F. (eds) Aus der Arbeit der Universität 1946/47. Schriften der Universität Heidelberg, vol 3. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-85700-3_8
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