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Zusammenfassung

Es war ein Fortschritt der wissenschaftlichen Psychiatrie, daß der Wahn der paranoiden Schizophrenie nicht mehr als intellektueller Irrtum, sondern als eine im Grunde affektive Fehldeutung der Welt interpretiert wurde. Die seit Eugen Bleuler entfaltete Psychopathologie beruht wesentlich auf dieser Auffassung, wie überhaupt der Begriff der Affektivität im Unterschied zur Intelligenz eine entscheidend wichtige Rolle in der Psychopathologie, insbesondere im Bereich schizophrener Wahnkrankheiten spielte. Mehr als ein Nebeneinander von Symptomen verschiedener diagnostisch-prognostischer Wertigkeit ist so aber nicht erreicht worden, d. h. kein tieferes Verständnis dieser eigentümlichen Abwandlungen menschlichen Daseins, wie sie uns im paranoiden Syndrom gegeben ist. Wir sprechen vom paranoiden Syndrom als einem im einzelnen zwar variablen, im Grunde und im wesentlichen aber doch gleichartigen Syndrom, das bei sog. schizophrenen Krankheiten mehr oder weniger ausgeprägt, aber fast stets zu finden ist. Die Skala der hier angesprochenen, jedem Kliniker vertrauten Erscheinungen ist rasch umrissen: Sie führt vom leichten Beziehungssyndrom, dem Beobachtungs-, Beeinträchtigungs- und Beeinflussungswahn, dem abnormen Bedeutungserleben über die Gedankenübertragung, das Gedankenlesen, Gedankenentziehen, hypnotische Gelenktwerden bis zu den Halluzinationen und schließlich dem vollständigen Ausgeliefertsein an eine den Kranken beherrschende Wahnwelt in vielfältiger und bunter Mischung. Das Gemeinsame dieser zusammengehörigen einzelnen Symptome kristallisiert sich um die mannigfaltig variierte Thematik des Verfolgtseins im weitesten Sinne: Die paranoid verwandelte Welt gewinnt den Charakter des Andrängenden, unentrinnbar Überwältigenden, des Schrecklichen (Binswanger); die Anderen erscheinen in dieser Wahnwelt als die Übermächtigen, die durch alle Grenzen Eindringenden, den Besessenen Besitzenden und Bestimmenden. Wir glauben, daß ein gegenüber der bisherigen psychopathologischen Deskription tieferes Verstehen dieses Syndroms möglich sei.

Aus: Das Paranoide Syndrom in anthropologischer Sicht. Berlin, Göttingen, Heidelberg: Springer 1958.

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Literature

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Zutt, J. (1963). Vom gelebten welthaften Leibe. In: Auf dem Wege zu Einer Anthropologischen Psychiatrie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-85694-5_21

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