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Zusammenfassung

Als ich die Aufforderung bekam, zum Thema „Krise“ vom Standpunkt des Psychiaters aus zu sprechen, kamen mir zunächst Bedenken. Die Bedenken bezogen sich auf das Folgende: Wir erleben, daß auch im medizinischen Sprachgebrauch sich ein immerwährender Wandel vollzieht, indem alte Fachtermini verlassen werden und neue in Gebrauch kommen. Nicht immer kann man dem zustimmen, weil man nicht immer einsehen kann, was der Sinn des jeweiligen Wandels ist. So spricht man heute z.B. weniger von „Krankheiten“. Statt dessen spricht man gern von „Erkrankungen“ und vergißt dabei, daß eine Erkrankung der Beginn einer Krankheit ist. Man „erkrankt“ heißt doch, man wird krank. In einer schon bedenklichen Oberflächlichkeit spricht man sogar vom Beginn einer Erkrankung, also vom Beginn eines Beginns, und man merkt wohl zumeist gar nicht, was man eigentlich sagt. Anstatt von „Krankheiten“ spricht man dann wieder von „Krankheitsgeschehen“. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich das Bedürfnis nach einer gehobenen wissenschaftlichen Sprechweise hinter solchen Wendungen und ihrer raschen Verbreitung verbirgt. So auch wenn von „Verhaltensweisen“ gesprochen wird, auch wenn man genau so gut vom „Verhalten“ reden könnte. Versucht man, in dem offensichtlichen Vermeiden des Begriffs „Krankheit“ einen Sinn zu sehen, so findet man vielleicht in der Tat das Bestreben, nicht mehr in starren Krankheitseinheiten zu denken, sondern die funktionellen Bedingungen ihres Entstehens und Vergehens — d. h. eben das Geschehen — in den Blick zu bekommen. So habe ich anfängliche Bedenken gegen die Teilnahme an diesem Gespräch überwunden: denn wenn heutzutage viel von „Krise“ gesprochen wird, wenn dieser Terminus in der Lehre von den Krankheitsarten einen Platz zu beanspruchen scheint, so ist es auf alle Fälle gut, sich Gedanken zu machen, was hinter dieser Tendenz, einen neuen Begriff, einen neuen Terminus einzuführen, steckt.

Nach einem Vortrag auf der 70. Wanderversammlung südwestdeutscher Neurologen und Psychiater. Aus der Nervenklinik der Stadt und Universität Frankfurt a. M. (Direktor: Prof. Dr. J. Zutt). — Nervenarzt 25, 426 (1954).

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Literature

  1. Zutt, J.: Der ästhetische Erlebnisbereich und seine krankhaften Abwandlungen. Nervenarzt 23, 163–169 (1952) und diese Sammlung S. 298. — Vom ästhetischen im Unterschied zum affektiven Erlebnisbereich. Wien. Z. Nervenheilk. Bd. X, H. 3-4 (1955) und diese Sammlung S. 330.

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© 1963 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Zutt, J. (1963). Der Lebensweg als Bild der Geschichtlichkeit. In: Auf dem Wege zu Einer Anthropologischen Psychiatrie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-85694-5_15

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