Zusammenfassung
Wir begegnen im Bereich der Symptomatologie der Psychosen, ganz besonders bei schizophrenen Erkrankungen symptomatologisch oft sehr bedeutsamen Äußerungen von Patienten, die unserem Verständnis die allergrößten Schwierigkeiten bereiten, weil wir nicht in der Lage sind, die diesen Äußerungen zugrunde liegenden Erlebnisweisen in eine verständliche Beziehung zu anderen Tatbeständen psychischen Geschehens zu bringen oder sie auf die Störung eines uns aus der Psychologie des Normalen bekannten psychischen Tatbestandes zurückzuführen. Man denke an die Angaben Schizophrener, ihre Gedanken oder Bewegungen würden beeinflußt, sie ständen unter Hypnose oder sie seien gar nicht die Persönlichkeiten, für die sie selbst und andere sie bisher gehalten hatten. Wir wissen nicht, worauf wir die solchen Äußerungen zugrunde liegenden Erlebnisweisen beziehen sollen. Anders verhält es sich z. B. mit Selbstvorwürfen und Befürchtungen Depressiver. Die die depressive Erkrankung charakterisierende krankhafte Veränderung der Affektlage hat wie jede Affektlage Gesunder einen Einfluß auf die Selbsteinschätzung und die zwischen Optimismus und Pessimismus liegenden Erwartungen künftigen Schicksals. Es sind uns hier aus dem normalen psychischen Erleben Zusammenhänge bekannt, die für das Verständnis der krankhaften Erlebnisse von einleuchtendem Wert sind. Es besteht ein sinnvoller Zusammenhang zwischen depressiver Verstimmung, Selbstvorwürfen und Befürchtungen. Solche sinnvollen Beziehungen können wir für die oben angeführten Erlebnisweisen Schizophrener nicht angeben. Sie sind für uns charakteristische Symptome, bleiben aber in einem besonderen Sinne unverständlich, weil ihnen jede Beziehung untereinander und zu normalpsychologischen Erlebnisweisen zu fehlen scheint.
Aus der Nerven-Klinik der Charité, Berlin (Direktor: Geh. Rat Bonhoefier). — Mschr. Psychiat. Neurol. 73, 52 (1929).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Berze: Die primäre Insuffizienz der psychischen Aktivität. Leipzig und Wien 1914.
Berze: Psychologie der Schizophrenie. Berlin 1929.
Bonhoeffer: Klinische Beiträge zur Lehre von den Degenerationspsychosen. Zwanglose Abhandlungen aus dem Gebiet der Geistesund Nervenkrankheiten. Halle 1907.
Bonhoeffer: Wie weit kommen psychogene Krankheitszustände und Krankheitsprozesse vor, die nicht der Hysterie zuzurechnen sind. Allg. Ztschr. f. Ps., Bd. 68, 1911.
Bonhoeffer: Die Psychosen im Gefolge von akuten Infektionen, Allgemeinerkrankungen und inneren Erkrankungen. Leipzig und Wien, 1912.
Bonhoeffer: Zur Frage der fortschreitenden und stationären Wahnbildung bei narkotischen Dauervergiftungen. Allg. Ztschr. f. Ps., Bd. 84, 1926.
Bleuler: Affektivität, Suggestibilität und Paranoia. Halle 1906.
Bleuler: Dementia praecox. Leipzig und Wien 1911.
Bleuler: Lehrbuch. Berlin 1918.
Bühler: Die Krise der Psychologie. Jena 1927.
Delbrück: Die pathologische Lüge. Stuttgart 1891.
Försterling: Ein Fall von Motilitätspsychose mit vorwiegender Beteiligung der Sprache. Mschr. f. Ps., XV, 1904.
Gruhle: Psychologie der Schizophrenie. Berlin 1929.
Klages: Ausdrucksbewegungen und Gestaltungskraft. Leipzig 1923.
Klages: Bemerkungen zur sogenannten Psychopathie. „Der Nervenarzt“. Bd. I, 4.
Kraepelin: Lehrbuch. VIII. Auflage. 1913.
Krapf: Epilepsie und Schizophrenie. Arch. f. Ps., Bd. 83, 4, 1928.
Kronfeld: Über schizophrene Veränderungen des Bewußtseins der Aktivität. Ztschr. f. d. g. N. u. Ps., Bd. 74, 1922.
Minkowski: La Schizophrenie. Paris 1927.
Pohlisch: Der hyperkinetische Symptomenkomplex und seine nosologische Stellung. Bln. 1925.
Straus: Wesen und Vorgang der Suggestion. Berlin 1925.
Thiele: Zur Kenntnis der psychischen Residuärzustände nach Enzephalitis epidemica bei Kindern und Jugendlichen. Berlin 1926.
Wernicke: Grundriß der Psychiatrie. Leipzig 1900.
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1963 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Zutt, J. (1963). Die innere Haltung. In: Auf dem Wege zu Einer Anthropologischen Psychiatrie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-85694-5_1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-85694-5_1
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-642-85695-2
Online ISBN: 978-3-642-85694-5
eBook Packages: Springer Book Archive