Zusammenfassung
Ältere Patienten suchen meist wegen einer depressiven Symptomatik den Psychotherapeuten auf. Bevor ich einen solchen Behandlungsverlauf darstelle, möchte ich einige Fragen aufgreifen, die sich bei psychoanalytischen Therapien von älteren depressiven Patienten ergeben, und meinen Umgang damit skizzieren. Obwohl ich mir in den Vorgesprächen Hypothesen über die Genese der Erkrankung bilde, beginne ich die Behandlung nicht mit einer thematischen Fokussierung, sondern lasse das Material sich im Fluß des freien Erzählens entwickeln. Die wichtigen Themen rücken dabei von ganz alleine in den Mittelpunkt. Oft stellt sich während der Behandlung die Frage, ob die Verordnung eines Psychopharmakons, insbesondere eines Antidepressivums, indiziert sei. Weder eine ideologisch begründete Ablehnung von Psychopharmaka noch ein naiver Optimismus hinsichtlich der Wirkung von Medikamenten bietet sich hier als geeignete Haltung für den Psychotherapeuten an. Eher ist eine diffizile Ich-Spaltung angezeigt. Auf der einen Seite sollte er das Krankheitsbild mit den geschulten Augen eines Psychiaters beurteilen, sich aber auf der anderen Seite auch als ein in den therapeutischen Prozeß verwickelter Beteiligter erleben und nach der psychodynamischen Bedeutung des Medikaments im Wechselspiel von Übertragung und Gegenübertragung fragen. Versucht der Therapeut, eigene Ängste vor der anbrandenden Übertragung zu bannen? Will der Patient ein abgespaltenes gutes Objekt etablieren, das nicht von seiner Übertragungsambivalenz kontaminiert ist? Fühlt sich der Patient als hoffnungsloser Fall vom Therapeuten an eine dritte Instanz (Medikament) abgeschoben? Um dabei den verstehenden Kontakt zum Patienten nicht zu verlieren, pflege ich in solchen Fällen, die Medikamentenverordnung an einen erfahrenen Psychiater zu delegieren.
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© 1997 Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, GmbH & Co. KG, Darmstadt
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Hinze, E. (1997). Die ambulante psychoanalytische Behandlung von depressiven älteren Patienten. In: Radebold, H., et al. Depressionen im Alter. Steinkopff. https://doi.org/10.1007/978-3-642-85440-8_47
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