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Software — Allheilmittel und Rauschgift (Festansprache)

  • Conference paper
Multimedia, Vernetzung und Software für die Lehre

Part of the book series: Reihe ((MIKROCOMPUTER,volume 4))

  • 111 Accesses

Zusammenfassung

Als „Allheilmittel“ bezeichnen wir Medikamente die es ermöglichen, eine Vielzahl ernsthafter Erkrankungen zu heilen. Wir verwenden den Begriff „Rauschgift“ für Substanzen, die anfangs scheinbar eine vorteilhafte Wirkung haben, aber langfristig die Probleme des Benutzers nicht lösen. Um sich in einem einigermaßen vernünftigen Zustand zu halten, muß der Konsument die Einnahme dieser Substanzen fortsetzen. Oftmals führt die Verwendung von Rauschgift zur Einbuße von Fähigkeiten, über die der Konsument vor der ersten Einnahme verfügte. In der Umgangssprache verwenden wir diese Begriffe, d.h. „Rauschgift“ und „Allheilmittel“, für chemische Produkte die man einnehmen kann. Dennoch gibt es auch andere Produkte, die dieser Beschreibung entsprechen können. So erzeugt auch der Gebrauch von Schuhen eine Abhängigkeit. Schuhe sind bequem und schützend. Diejenigen jedoch, die Schuhe regelmäßig tragen, haben bald Schwierigkeiten ohne Schuhe zu gehen. Das Fernsehen stellt vielleicht ein noch aktuelleres und in unserem Zusammenhang bedeutsameres Beispiel dar. Die Fähigkeit, weit entfernte Ereignisse zu beobachten, könnte dazu beitragen, die weit verbreitete Krankheit der Ignoranz zu „heilen“. Stattdessen ist Fernsehen zu einem Bedürfnis geworden, welches viele dazu benutzen, die Symptome der Langeweile und des Mangels an externen Reizen zu lindern. Gibt es keine externen Reize, so schaltet man einfach das Fernsehgerät ein. Vielen regelmäßigen „Femsehkonsumenten“ ist ein Leben ohne Fernsehen unvorstellbar. Viele Kinder haben durch den regelmäßigen Gebrauch dieser Droge die Fähigkeit verloren, sich selbst zu beschäftigen und zu unterhalten. — Vor dreißig Jahren habe ich mich entschieden, im Bereich „Software Engineering“ zu forschen, weil ich Software als Allheilmittel angesehen habe. Auch heute sehe ich Software noch in dieser Weise. Software gehört zu den flexibelsten und mächtigsten Werkzeugen, die uns dank moderner Technologie zur Verfügung stehen. Aus Gründen die ich nachfolgend erläutern möchte, gibt es fast keine theoretischen Einschränkungen dessen, was mit Software machbar ist. Grenzen, so es sie überhaupt gibt, sind nur sehr sehr selten von praktischer Bedeutung. Wenn wir unsere Aufgabenstellungen wirklich verstanden haben, und auch die Auswirkungen eines neues Produktes sorgfältig analysiert haben, können wir mit Hilfe von Software wahre Wunder vollbringen. Dennoch sehe ich vor dem Hintergrund von mehr als dreißig Jahren praktischer Arbeit mit Computern heute auch die Kehrseite von Software. Wiederholt haben wir festgestellt, daß, obwohl Software es ermöglicht beliebige Dinge zu bauen, wir in der Praxis nicht genau wissen, was benötigt wird. Darüber hinaus kann man oft beobachten, daß das Produkt welches wir gebaut haben, nicht dem entspricht, was wir uns vorgestellt hatten. Softwarebenutzer warten immer auf Neuerungen, entweder verbesserte Versionen oder völlig neue Produkte. Sobald in einer Softwareprodukt Veränderungen vorgenommen werden, sind wir anfangs über die neuen Möglichkeiten erfreut. Wir sind jedoch auch schnell wieder enttäuscht und warten auf weitere Veränderungen. Dieses Verhalten ließe sich auch mit dem Verhalten eines Drogensüchtigen nach einem „Spritze“ vergleichen. Haben wir erst einmal begonnen Computer einzusetzen, so fällt es uns zunehmend schwerer ohne sie auskommen. Banken, Fluggesellschaften, Hotels und auch Hochschullehrer, können nicht mehr weiterarbeiten, wenn ihre Computer versagen. Mit anderen Worten: Software kann zwar als ein Allheilmittel betrachtet werden, stellt aber auch ein Suchtmittel dar. Die Gefahren der Benutzung von Software werden noch durch Probleme, welche mit der Qualität des Produktes und der hohen Anzahl unqualifizierter Programmierer zusammenhängen, verstärkt. Nach der Auslieferung fehlerhafter Software stellt es sich oft heraus, daß nur diejenigen Personen, die diese Software entwickelt haben, in der Lage sind sie zu reparieren. Es kommt nicht selten vor, daß ein ganz besonders miserabler Programmierer als Genie betrachtet wird, weil er der Einzige ist, der das Programm versteht. Einige Softwarelieferanten sind wie Drogenhändler. Durch den Verkauf von Produkten minderer Qualität können sie ihren Gewinn steigern. Softwarewartungsverträge können nur deshalb verkauft werden, weil jeder Kunde weiß, daß Software, ein Produkt welches sich eigentlich weder abnutzt noch rostet, bereits vom Beginn an reparaturbedürftig ist. — In diesem Vortrag möchte ich zeigen, wie Software in einigen Fällen auch bei der Lösung gesellschaftlicher Fehlentwicklungen angewendet werden kann. Dennoch möchte ich auch zeigen, wie Personen, Organisationen und die Gesellschaft als Ganzes, von Software niederer Qualität abhängig werden kann. Am Ende des Vortrags werde ich einige Maßnahmen vorschlagen, die es uns ermöglichen sollten, die Vorteile dieser Technologie zu nutzen, ohne uns in so viel Gefahr zu begeben.

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© 1992 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Parnas, D.L. (1992). Software — Allheilmittel und Rauschgift (Festansprache). In: Dette, K., Pahl, P.J. (eds) Multimedia, Vernetzung und Software für die Lehre. Reihe Mikrocomputer-Forum für Bildung und Wissenschaft, vol 4. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-84863-6_5

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  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

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