Zusammenfassung
Um zu untersuchen, wie Orientierungsleistungen zustande kommen, wie räumliches Wissen erworben, verarbeitet und angewendet wird, kann man zwei unterschiedliche — im Extremfall zueinander komplementäre — Ansätze verfolgen: Zum einen kann man versuchen, eine Maschine zu bauen ‘die geht’, d.h. ein künstliches System zu entwickeln, das ein Problem vollkommen unabhängig davon löst, wie es in natürlichen Systemen gelöst wird. Der andere mögliche Ansatz ist, an einem natürlichen System zu untersuchen, ‘wie etwas gemacht wird’, d.h. menschliches und tierisches Verhalten zu untersuchen und die Funktionsweise von Gehirnen zu analysieren. Im folgenden werde ich einige von Neurobiologen mit diesem analytischen Ansatz gewonnene Ergebnisse vorstellen und versuchen, aus ihnen Konsequenzen für die Synthese sich orientierender Systeme abzuleiten. Zuerst werde ich drei Patienten vorstellen, die als Folge eines Schlaganfalls Störungen in ihrer Raumvorstellung erlitten haben. Im zweiten Teil werde ich an Tierbeispielen zeigen, daß in biologischen Systemen die Gestaltung der Sensoren und das Bewegungsmuster nicht unabhängig von dem zu bewältigenden Orientierungsproblem ist und das Modell einer nicht topographisch organisierten Karte am Beispiel von Bienen vorstellen. Da für Menschen, wie die meisten anderen Primaten, Sehen der wichtigste Fernsinn ist, steht bei allen vorgestellten Überlegungen die aus der Analyse visueller Information abgeleitete Raumvorstellung im Vordergrund.
Der eigene Leib ist in der Welt wie das Herz im Organismus: er ist es, der alles sichtbare Schauspiel unaufhörlich am Leben erhält, es innerlich ernährt und beseelt, mit ihm ein einziges System bildend. Die mannigfaltigen Aspekte, unter denen ich meine Wohnung sehe, wenn ich in ihr auf und ab gehe, können mir nur daher als Anblicke ein und desselben Dinges erscheinen daß ich zum voraus schon weiß, daß ein jeder dieser Aspekte die Wohnung von hier gesehen oder von da gesehen darstellt, und meiner eigenen Bewegung sowie meines Leibes als eines durch die Phasen dieser Bewegung hindurch Identischen mir bewußt bin. MERLEAU-PONTY, Phänomenologie der Wahrnehmung
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References
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Kriechbaum, W. (1990). Raumvorstellungen und biologische Intelligenz: Anmerkungen aus der Sicht eines Neurobiologen. In: Freksa, C., Habel, C. (eds) Repräsentation und Verarbeitung räumlichen Wissens. Informatik-Fachberichte, vol 245. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-84235-1_3
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