Zusammenfassung
Medizinische Daten gelten mit Recht als die sensitivsten Angaben über eine Person1). Bei der Suche nach Kriterien zur Abgrenzung von anderen personenbezogenen Informationen stellt man bald fest, daß es kaum eine Angabe gibt, die nicht unter bestimmten Bedingungen medizinisch relevant wäre: Die berufliche Tätigkeit an einem umweltbelasteten Arbeitsplatz kann den Schluß auf eine Berufskrankheit zulassen, die Zugehörigkeit zu einer Sekte kann die sonst vielleicht stillschweigend angenommene Einwilligung zu einer notwendigen Operation ausschließen, die Staatsangehörigkeit einer Person kann den Verdacht auf eine regional begrenzte Krankheit lenken. Selbst Angaben über andere Personen (Geschwister, Eltern, Großeltern), über ein gestörtes Eheverhältnis oder über berufliche Streßsituationen können medizinisch Bedeutung gewinnen. Es ist also nicht möglich, einer Information unmittelbar das Prädikat „medizinisch“ zu versagen. Vielmehr ergibt sich aus dem Verwendungszusammenhang, ob eine personenbezogene Information medizinisch interessiert. Medizinische Informationen lassen sich daher von anderen personenbezogenen Informationen nur dann abgrenzen, wenn man auf die Entstehung im Rahmen einer Heilbehandlung abstellt. Deshalb werden nachfolgend unter „medizinischen Daten“ alle Informationen verstanden, die auf ein Arzt-Patienten-Verhältnis zurückgehen2). Dazu gehören Patientendaten (Befund-, Diagnose-, Therapie- und Eignungsdaten) und Arztdaten (Identifikationen des Arztes bei Behandlungsangaben). Unmittelbare Bezugsperson für die Arztdaten ist der Arzt. Bei bestimmten Patientendaten — insbesondere Befunddaten — sind mittelbare Bezugspersonen (z. B. Familienmitglieder im Rahmen einer Sozialanamnese) denkbar.
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Literatur
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Rein Turn, Classification of personal information for privacy protection purposes, in: National Computer Conference 1976, p. 301 (304 f.).
Nach einer Definition des Europarats werden unter “medizinischen Daten” alle Informationen verstanden, die sich auf die Gesundheit eines Individuums beziehen (Europarat, Committee of Experts on Data Protection, Draft Resolution (7.) on Model Regulations for Electronic Medical Data Banks, CJ-PD-GT 2 (77) 2 v. 5. 9. 1977, p. 3.
Ein zivilrechtlicher Behandlungsvertrag liegt nicht nur bei der Behandlung von Privatpatienten, sondern auch bei der Behandlung von Kassenpatienten vor, vgl. § 368 d Abs. IV RVO und BGHZ 63, 265 (270 ff.); Klaus Luig, Der Arztvertrag, in: Wolfgang Gitter u. a., Vertragsschuldverhältnisse, München 1974, S. 223–257;
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Willy Wurster, Ein neuer Weg zum karteilosen Dienstleistungsbetrieb, in: Die Ortskrankenkasse 1977, S. 245 ff.;
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Stellungnahme des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft e.V. zum Bundesdatenschutzgesetz, in: Protokoll der 104. Sitzung des Innenausschusses und der 83. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft vom 31.3.1976, Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, Innenaus-schuß 724–2450, S. 126 (129).
Umfangreiche Nachweise bei Hans-Leo Weyers, Empfiehlt es sich, im Interesse der Patienten und Ärzte ergänzende Regelungen für das ärztliche Vertrags-(Standes-) und Haftungsrecht einzuführen?, in: Deutscher Juristentag Bd. I (Gutachten), München 1978, S. 3 ff.
BGH NJW 1974, S. 602; dazu kritisch Goetz-Joachim Kuhlmann, Übertragung einer Arztpraxis und ärztliche Schweigepflicht, in: JZ 1974, S. 670–672.
H. Stolley/R. Thurmayr (Anm. 5), S. 149 (156). — Die Autoren empfehlen als Gegenmaßnahme Plausibilitätskontrollen; z. B. kann man einen Blinddarm nicht zweimal entfernen.
Der Bundesgerichtshof hat allerdings in seiner neuesten Entscheidung ausdrücklich die Meinung abgelehnt, Aufzeichnungen des Arztes dienten lediglich der “internen Gedächtnisstütze” des Arztes, vgl. BGH NJW 1978, S. 2337 (2338 f.).
So Adolf Laufs, NJW 1975, S. 1433 (1435); Nachweise auch bei W. Uhlenbruck, Die Herausgabe ärztlicher Aufzeichnungen und Befunde an Patienten, in: Medizinische Klinik 70 (1975), S. 1660–1663.
Nachweise vgl. oben Anm. 3.
§ 368g RVO i.V.m. § 5 Bundesmantelvertrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit den Bundesverbänden der RVO-Krankenkassen (in Kraft seit 1.7.1978); §§ 29 Abs. 4 RöV; 71 Abs. 3 S. 3, 4 StrahlSchVO. Vgl. auch Hans-Leo Weyers (Anm. 10), S. 3 (116f.).
Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundesrats-Drucks. 391/73 v. 25.5.73, S. 1; Bericht und Antrag des Innenausschusses (4. Ausschuß), Deutscher Bundestag, Drucks. 7/5277 v. 2.6.76, S. 1, 4, 5; Spiros Simitis, in: Simitis/Dammann/Mallmann/Reh, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, Baden-Baden 1978, Einleitung Rdnr. 17–31.
Helmut Narr, Ärztliches Berufsrecht, 2 A. Köln 1977, Rdnr. 746 f.
Vgl. Johann Hermann Husmann, Die Problematik in der Praxis bei Mitteilung und Übergabe ärztlicher Befunde, in: Armand Mergen (Hrsg.), Die juristische Problematik in der Medizin, Bd. II, München 1971, S. 183 f.;
Wolfgang Schimmel, in: Steinmüller/Ermer/Schimmel, Datenschutz in riskanten Systemen, Berlin/Heideiberg/New York 1978, S. 34 ff.
Dazu: Otto Mallmann, in: Simitis u.a. (Anm. 17), § 26 Rdnr. 60; Angela Hollmann, Auskunftsanspruch des Patienten im Datenschutzrecht, in: NJW 1977, S. 2110 f.;
Angela Hollmann, Das neue Bundesdatenschutzgesetz, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 1977, S. 1–3.
Hermann Heußner, Probleme des Datenschutzes in der Sozialversicherung, in: Zeitschrift f. d. g. Versicherungsw. 1/2 (1978), S. 57 (59 ff.).
A. A. Otto Mallmann, in: Simitis u. a. (Anm. 17), § 26 Rdnr. 67 m. Nachw.
BVerfG NJW 1977, S. 1489. Schon in der Entscheidung NJW 1972, S. 1123 ff. ordnete das Bundesverfassungsgericht ärztliche Karteikarten dem privaten Bereich des Patienten zu mit dem Anspruch auf Geheimhaltung.
Peter Schwerdtner, Das Persönlichkeitsrecht in der deutschen Zivilrechtsordnung, Berlin 1977.
Vgl. Willi Weyrauch, Vom Mittel zum Zweck. Zum Wandel des Stellenwertes der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Die Ortskrankenkasse 9/1978, S. 286–293.
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Kilian, W. (1979). Verfügungsberechtigung Über Medizinische Daten. In: Kilian, W., Porth, A.J. (eds) Juristische Probleme der Datenverarbeitung in der Medizin. Medizinische Informatik und Statistik, vol 12. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-81365-8_14
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