Zusammenfassung
Iatrogenese ist ein Begriff ärztlicher Selbstkritik. Er entfaltet seine Wirksamkeit in der Erziehung zum Arzt und begleitet den therapeu-tisch handelnden Arzt, unabhängig von der Art der angewandten Behandlungen, als Gewissenhaftigkeit, Sorgfalt, ja oft Ängstlichkeit oder zögernde Bedachtsamkeit. Es gab Zeiten, in denen diese Vorsicht schulenbildend war: der Exspectationismus, der im 18. Jahrhundert spürbar war. Es handelt sich um extreme Varianten eines ärztlichen Skeptizismus, der sich auf den ersten Aphorismus des Hippokrates beruft: Das Leben des einzelnen Arztes ist zu kurz, um sich die ganze Fülle der ärztlichen Kunst anzueignen; der günstige Augenblick, den Krankheitszustand zu erkennen und zu behandeln,eilt schnell vorüber; jede Behandlung ist ein ungewisser Versuch; klares Urteil und richtige Entscheidung sind mühsam und schwierig.
Die etablierte Medizin hat sich zu einer ersten Gefahr für die Gesundheit entwickelt. Die lähmenden Folgen, die eine von professionellen Standesorganisationen ausgeübte Kontrolle über das Gesundheitswesen hat, erreichen mittlerweile die Ausmaße einer Epidemie. Der Name dieser neuen Epidemie ist Iatrogenesis; hergeleitet von iatros, dem griechischen Wort für Arzt, und genesis, Ursprung.
Ivan Illich
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Hartmann, F. (1979). Iatrogenesis — eine neue Epidemie?. In: Maßlose Medizin?. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-81350-4_4
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