Allgemeine mikroskopische Anatomie der lebenden Masse

Zusammenfassung

Als ich vor 5 Jahren von Herrn v. Möllendorff die Aufforderung erhielt, für sein Handbuch die mikroskopische Anatomie der lebenden Masse zu bearbeiten, übernahm ich nur mit schweren Bedenken diese Aufgabe. War es mir doch von Anfang an klar, daß dieses Kapitel sich viel weniger zur Zeit für eine handbuchmäßige Darstellung eignet, als die Teile des Handbuches, welche sich mit der mikroskopischen Anatomie der Organe, speziell des Menschen, beschäftigen. Denn hier hat sich, dank der günstigen äußeren Forschungsbedingungen, von denen nur die Gründung besonderer histologischer Unterrichts- und Forschungsinstitute in den meisten Kulturländern zu nennen ist, das neue Tatsachenmaterial seit dem Jahre 1889, in welchem die letzte Auflage von Köllikers Handbuch der mikroskopischen Anatomie erschien, so gehäuft, daß eine erneute zusammenfassende Bearbeitung durchaus notwendig und zeitgemäß ist. Hiervon eine handbuchmäßige Darstellung des gegenwärtigen Standes der Forschung zu geben, ist um so leichter, als bei vielen Organen ein gewisser Abschluß ihrer mikroskopischen Erforschung erzielt ist und mit den zur Zeit angewandten Methoden wohl noch eine weitere Vermehrung der Detailkenntnisse, aber keine grundlegende neue Erkenntnis zu erwarten ist. In den Teilen, die von der mikroskopischen Organanatomie handeln, wird also das Möllendorffsche Handbuch aller Voraussicht nach ebenso einen Markstein einer zu einem gewissen Abschluß gekommenen Forschungsperiode darstellen, wie das Hertwigsche Handbuch der Entwicklungsgeschichte (1901 bis 1906) ein solches für die beschreibende und vergleichende Embryologie geworden ist. Wie hier die entwicklungsmechanische Forschung auf die im Handbuch niedergelegten Ergebnisse der beschreibenden und vergleichenden Embryologie sich stützend systematisch weiterforscht und die Einsicht in das Entwicklungsgeschehen vermehrt, so wird auch das Tatsachenmaterial, das in diesem Handbuch der mikroskopischen Anatomie verzeichnet ist, dem experimentellen Morphologen die notwendige und willkommene Grundlage geben, um in der Richtung, wie sie Oscar Hertwiu (1904) bei der Gründung seines anatomisch-biologischen Institutes vorgeschwebt hat, und wie sie klar bewußt zuerst H. Braus (1921) in seinem Lehrbuch für die makroskopische Anatomie, dann Petersen (1922) in seiner Histologie für die mikroskopische Anatomie gewiesen haben, zu einer biologischen Anatomie zu. gelangen und dadurch unser morphologisches Wissen weiter zu vertiefen.

Abgeschlossen am 31. Oktober 1928.