Zusammenfassung
Das „Epische Theater“ ist die heutige Form des „Kulinarischen Theaters“. Es hat seinen Siegeszug in dem Augenblick angetreten, als das traditionelle Theater erschöpft und zu keiner „kulinarischen“ Wirkung mehr fähig war. Der Erfolg Bertolt Brechts erklärt sich daher nicht aus dem Gegensatz seines (vermeintlich realistischen) Lehr- theaters zum opernhaften Illusionstheater klassischer Observanz 1), sondern aus dem neuen „kulinarischen“ Effekt seiner gewandelten Dramaturgie und Aufführungspraktiken 2). Es gibt in der Tat nichts Opernhafteres als eine Brechtaufführung, die genau den Regieanweisungen des Autors folgt. Opernhaft ist gerade die betonte Rollenhaftigkeit der Personendarstellung, im besonderen das von Brecht geforderte exemplarisch-didaktische „Zeigen“. Denn solche Verfremdung erhöht den spezifischen Spielcharakter der Darbietung, steigert das komödiantische Element. Daß jedoch - wie Brecht unterstellt - mit seinem oft buffonesk anmutenden „Zeigen“ die vorhandene Welt abgebildet oder gar verändert werde, ist eine Illusion, wie sie nur ein scharfsinnig konsequenter Träumer sich einreden konnte. Die Dramatik Brechts ist - gewollt oder ungewollt - eine Welt eigener Prägung und ebenso wirklichkeitsfern wie die fiktive Welt der Oper. Die bei den Zuschauern beabsichtigte und erwartete Bewußtseinsveränderung geht so restlos in dem neuartigen Vergnügungseffekt auf, daß selbst diejenigen ohne Furcht dem Autor applaudieren, die im anderen Lager stehen 3).
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Nagel, B. (1973). „Ein Unerreichbares Muster“. In: Heidelberger Jahrbücher XVII. Heidelberger Jahrbücher, vol 17. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-80773-2_5
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