Zusammenfassung
Unser aller Leben gründet sich auf das Vorhandensein der Kulturpflanze. Ihre Bedeutung für die Entwicklung des Menschengeschlechts wird klar, wenn wir uns vor Augen führen, daß ein Jäger oder Sammler für sich allein zur Stillung seines Hungers etwa 20 Quadratkilometer zur Verfügung haben muß, eine Fläche, die durch Ackerbau, also durch Anbau von Kulturpflanzen genützt, 6000 Menschen zu ernähren vermag. Wäre die Menschheit noch auf Jagd und Sammeln als einzige Nahrungsquellen angewiesen, so könnte die Erde nicht mehr als 30 Millionen Menschen ernähren. Die Kulturpflanze allein macht es möglich, daß heute 2500 Millionen Menschen den Erdball bevölkern. Nur ihrer hohen Leistungsfähigkeit haben wir es zu verdanken, daß unser Dasein nicht völlig in der Sorge um die Beschaffung der notwendigen Nahrung aufgeht. Durch die Kulturpflanze ist der Mensch von dem Zwang zum nomadenhaften Herumstreifen befreit und seßhaft geworden; sie hat ihm eine Arbeitsteilung ermöglicht und ihm ein bescheidenes Maß sorgloser Ruhe geschenkt. Arbeitsteilung und Muße aber sind wichtige Voraussetzungen dafür, daß Wissenschaft und Technik entstehen und sich weiter entwickeln konnten. Die Kulturpflanze ist so die Grundlage unserer heutigen Kultur und Zivilisation geworden. Darüber hinaus aber gehören ihre besten Erzeugnisse selbst mit zu den wertvollsten Gütern der menschlichen Kultur, mag es sich dabei um wohlschmeckende Gemüsearten, um hochwertige Früchte oder um edle Weine handeln. Die Gartenzierpflanzen endlich, die mit ihrer vollendeten Form, ihren prächtigen Farben und ihrer Fülle verschiedenartigster Düfte nur der Befriedigung des menschlichen Schönheitssinnes dienen, sind ein Teil unserer Kultur, den wir den Schöpfungen der bildenden Kunst getrost an die Seite stellen dürfen.
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Schwanitz, F. (1957). Von der Wildpflanze zur Kulturform. In: Die Entstehung der Kulturpflanzen. Verständliche Wissenschaft, vol 63. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-80535-6_1
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