Zusammenfassung
I. Kranke und Krankheiten Lassen Sie mich mit einer provokativen Frage beginnen: Bernhard Naunyn wird das berühmte Wort zugeschrieben: „Die Medizin wird Naturwissenschaft sein, oder sie wird nicht sein! Stimmt das, oder, besser formuliert „Stimmt das heute noch“? Hier wird der Januskopf der Medizin angesprochen, das Dilemma zwischen dem naturwissenschaftlichen Erkennen, Ordnen, Abstrahieren vom Einzelfall einerseits, der Zuwendung zum leidenden Kranken, der Betonung seiner Subjektivität und Einmaligkeit andererseits [24]. Mit diesem Dualismus werde ich mich auch heute vorzugsweise beschäftigen. Das Problem ist übrigens nicht neu: Es unterscheidet schon Hippokrates und die Schule von Kos von Platon und der Schule von Knidos. Der große französische Kliniker Armand Trousseau hat es auf die kürzest mögliche Formel gebracht. Es gibt nur Kranke — bzw.:Es gibt nur Krankheiten [23]. Moderne Entwicklungen haben aber die alte Frage in neuem Gewand erstehen lassen, nur mit viel schärferen Konturen. Während die großen Diagnostiker, vor allem der Wiener und der Pariser Schule um die Jahrhundertwende, mit ihrem therapeutischen Nihilismus ihren Ehrgeiz darin sahen, den späteren Autopsie-Befund möglichst genau vorauszusagen [6a, 54], hat der Fortschritt der naturwissenschaftlich orientierten Medizin zu einer völligen Umkehr geführt: Zu einer therapeutischen überaktivität, zum ethischen Problem: „Darf die Medizin, was sie kann?“ [74].
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Schlegel, B. (1982). Vierundachtzigster Kongreß. In: Lasch, H.G., Schlegel, B. (eds) Hundert Jahre Deutsche Gesellschaft für innere Medizin. J.F. Bergmann-Verlag, Munich. https://doi.org/10.1007/978-3-642-80501-1_85
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-80501-1_85
Publisher Name: J.F. Bergmann-Verlag, Munich
Print ISBN: 978-3-8070-0331-3
Online ISBN: 978-3-642-80501-1
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