Zusammenfassung
Gegenstand der folgenden Betrachtungen ist Alfred N. Whiteheads Philosophie der physikalischen Geometrie, also der geometrischen Struktur der Raum-Zeit. Dabei geht es konkret um Whiteheads Stellung zum physikalischen Inhalt und zu der in den 20er Jahren verbreiteten philosophischen Interpretation der Einsteinschen Relativitätstheorien. In seinen beiden Werken The Concept of Nature (1920) und The Principle of Relativity (1922) stehen für Whitehead zwei einschlägige Thesen im Vordergrund. Es geht ihm erstens um die Faktizität der Raum-Zeit-Struktur und damit um die Absage an die Konventionalität der physikalischen Geometrie. Whiteheads zweite zentrale Behauptung betrifft die Uniformität der Raum-Zeit, was die Zurückweisung der Abhängigkeit der physikalischen Geometrie von materiellen Objekten beinhaltet. Mit der Absage an die Konventionalität setzte sich Whitehead in Gegensatz zu den seinerzeit dominanten empiristisch-konventionalistischen Deutungen der physikalischen Geometrie; mit der Zurückweisung der Abhängigkeit der Raum-Zeit-Struktur von deren materieller Erfüllung widerspricht Whitehead dem physikalischen Inhalt der Allgemeinen Relativitätstheorie. Whiteheads Haltung ist entsprechend durch eine grundsätzliche Opposition zu damals und zum Teil bis heute verbreiteten Lehrmeinungen gekennzeichnet. Dabei standen Whiteheads unzeitgemäße Betrachtungen insofern unter einem glücklichen Stern, als sowohl die philosophische als auch die physikalische Sachlage heute eine größere Nähe zu Whiteheads Auffassungen erkennen läßt — wenn da-für auch ganz andere Gründe maßgebend sind, als sie für Whiteheads Opposition bestimmend waren.
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Literatur
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Carrier, M. (1996). Faktizität und Uniformität der Raum-Zeit: Whiteheads Philosophie der physikalischen Geometrie. In: Kiesel, H. (eds) Heidelberger Jahrbücher. Heidelberger Jahrbücher, vol 40. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-80323-9_5
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