Zusammenfassung
In weiten Teilen der Fachliteratur wird das Minderheitenschutzsystem des Völkerbundes bis heute als ein „gescheitertes Experiment“ oder gar als ein von Anbeginn verfehltes Unterfangen beurteilt. Für eine solche Sichtweise scheint es auf den ersten Blick mehrere gute Gründe zu geben. Insbesondere widerstand dieses System der krisenhaften Zuspitzung der internationalen Politik in den dreißiger Jahren nicht. Es brach in jener Zeit sukzessiv zusammen und existierte allenfalls noch auf dem Papier, als die Verfolgung und Vernichtung von Minderheiten im Laufe des Zweiten Weltkriegs bis dahin ungekannte Dimensionen erreichte. Auch die bewußte Nichtfortsetzung der Minderheitenpolitik des Völkerbundes durch die Vereinten Nationen wird gern als ein weiteres Indiz dieses Scheiterns gewertet. Diesem negativen Bild ist allerdings entgegenzuhalten, daß es strukturelle Hindernisse gibt, die eine wirksame Internationalisierung des Minderheitenschutzes erschweren; Barrieren, die nicht nur die Wirksamkeit des Völkerbundes auf diesem Gebiet eingeschränkt haben, sondern auch jene Organisationen vor Probleme stellen, die sich heute um eine Internationalisierung des Minderheitenschutzes bemühen. Unter gebührender Berücksichtigung dieser strukturellen Handikaps werden Leistungen des Völkerbundes erkennbar, die gewöhnlich übersehen werden.
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Literatur
Entscheidend hierfür ist die Sicherheitsrelevanz von Minderheiten für die oftmals prekäre innere Stabilität der sie beherbergenden Staaten. Für eine ausführlichere Darlegung dieses Zusammenhangs, der hier nicht näher erörtert werden kann, vgl. S. Bartsch, Minderheitenschutz in der internationalen Politik. Völkerbund und KSZE/OSZE in neuer Perspektive, Opladen 1995, S. 35–60.
Vgl. E. Viefhaus, Die Minderheitenfrage und die Entstehung der Minderheitenschutzverträge auf der Pariser Friedenskonferenz 1919. Eine Studie zur Geschichte des Nationalitätenproblems im 19. und 20. Jahrhundert, Würzburg 1960.
Für eine ausführliche Darstellung und kritische Würdigung der in Paris vereinbarten Minderheitenschutznormen vgl. H. Wintgens, Der völkerrechtliche Schutz der nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten. Unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Minderheiten in Polen, Stuttgart 1930.
Zur Arbeitsweise dieser Organe vgl. P. Guggenheim, Der Völkerbund. Systematische Darstellung seiner Gestaltung in der politischen und rechtlichen Wirklichkeit, Leipzig/Berlin 1932;
A. Zimmern, The League of Nations and the Rule of Law, 1918–1935, repr. London: Macmillan 1945 (1939);
M. E. Burton, The Assembly of the League of Nations, repr. New York: Fertig 1974 (1941).
Zur Funktionsweise des Sekretariats und zu seinem bahnbrechenden Charakter als internationaler Bürokratie, bestehend aus internationalen Beamten, die allein dem den Völkerbund repräsentierenden Generalsekretär und nicht den sie entsendenden nationalen Regierungen verantwortlich waren, vgl. E. F. Ranshofen-Wertheimer, The International Secretariat. A Great Experiment in International Administration, Washington 1945;
R. S. Jordan (Hrsg.), International Administration. Its Evolution and Contemporary Applications, New York 1971;
T. G. Weiss, International Bureaucracy. An Analysis of the Operation of Functional and Global International Secretariats, Lexington: Lexington Books 1975. Zur besonderen Bedeutung des Sekretariats für das Minderheitenschutzsystem des Völkerbunds vgl. Bartsch (Anm. 1), S. 143–155.
Der Bericht des Rapporteurs ist — wie auch andere unten angeführte Entscheidungen des Völkerbunds zum Minderheitenschutzverfahren — abgedruckt in: Ch. Gütermann, Das Minderheitenschutzverfahren des Völkerbundes, Berlin (West) 1979, S. 337–345.
Vgl. Gütermann (Anm. 6), S. 48f.
Zu diesen Ergänzungen des Verfahrens vgl. ausführlich Gütermann (Anm. 6).
Vgl. Gütermann (Anm. 6), S. 125–143.
Etwa 55% aller eingereichten Petitionen wurden zugelassen; vgl. R. Veatch, Minorities and the League of Nations, in: The League of Nations in Retrospect. Proceedings of the Symposium organized by the United Nations Library and the Graduate Institute of International Studies, Geneva, 6–9 November 1980, Berlin (West) u. a.: de Gruyter 1983, S. 372. Die Angaben zur Zahl der zugelassenen Petitionen schwankten in der Literatur beträchtlich. Nach Recherchen des Verfassers im Archiv des Völkerbunds in Genf dürfte diese bei knapp 500 liegen. Darin nicht enthalten sind Anschlußpetitionen, die sich auf einen bereits anhängigen Fall bezogen.
Vgl. T. Harrington Bagley, General Principles and Problems in the International Protection of Minorities. A Political Study, Genève: Imprimeries Populaires 1950, S. 89 f.
Vgl. Veatch(Anm. 11), S. 375.
Vgl. ebenda, S. 373 f.
Vgl. hierzu die Fallbeispiele in Bartsch (Anm. 1), S. 106–115.
Vgl. K. Dicke, Die UN-Deklaration zum Minderheitenschutz, in: Europa-Archiv, 48 (1993) 4, S. 107–116.
Vgl. R. Hofmann, Die Rolle des Europarats beim Minderheitenschutz (in diesem Band).
Für einen ausführlichen Vergleich siehe Bartsch (Anm. 1), S.219–254.
Zum “state of the art” vgl. H. Milner, International Theories of Cooperation Among Nations. Strengths and Weaknesses, in: World Politics, 44 (1992) 3, S. 466–496.
Als eine der raren Ausnahmen vgl. S. D. Krasner, Sovereignty, Regimes, and Human Rights, in: V. Rittberger (Hrsg.), Regime Theory and International Relations, Oxford 1993, S. 139–167.
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Bartsch, S. (1996). Erfolge im Schatten des Scheiterns — Das Minderheitenschutzverfahren des Völkerbundes. In: Mohr, M. (eds) Friedenssichernde Aspekte des Minderheitenschutzes in der Ära des Völkerbundes und der Vereinten Nationen in Europa. Schriftenreihe der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-80273-7_4
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